+++ Mai-Demos gegen unsichere Beschäftigung und Nazi-Aufmärsche +++

Gewerkschafter und linke Politiker fordern Reform von Hartz IV und eine Erhöhung des Mindestlohns / DGB-Chef Hoffmann: Soziale Grundrechte brauchen Vorfahrt vor wirtschaftlichen Freiheiten

  • Robert D. Meyer und Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 17 Min.

Update 20.55 Uhr: Kurzes Fazit zum Abend
Da es sowohl in Berlin als auch in Hamburg ruhig ist, wollen wir zum Abschluss noch ein kures Fazit versuchen. Wie heute bereits erwähnt: Früher war mehr Lametta! An den »Revolutionären 1.Mai-Demos« in beiden Städten beteiligten sich jeweils einige Tausend Menschen und damit weniger als in den Vorjahren. Forderungen waren unter anderem »Befreiung & Solidarität International«, »Festung Europa einreissen - Bleiberecht für alle«, »Rüstungsexporte stoppen«, »Kapitalismus -immer noch scheiße« und »Marx statt Merkel«. Krasse Zwischenfälle gab es in beiden Städten nicht. Die Überraschung des Tages war dagegen der »Tag der sozialen Arbeit« in unserem neuen Lieblingsproblemviertel Grunewald. rdm

Update 20.45 Uhr: Polizeipräsidentin und Innensenator zufrieden mit Mai-Demos
Die Einschätzung der Berliner Polizei und des Innensenators wollen wir euch natürlich auch nicht vorenthalten: Polizeipräsidentin Barbara Slowik und Innensenator Andreas Geisel (SPD) zeigten sich in einer ersten Bilanz der Feiern und Demonstrationen am 1. Mai zufrieden gezeigt. Viele Menschen hätten friedlich gefeiert, sagte Slowik am Dienstagabend im RBB-Fernsehen. Die sogenannte »Revolutionäre 1. Mai-Demo« sei ohne größere Straftaten geblieben, die Teilnehmerzahl sei rückläufig, ein Meer an kurdischen Flaggen wie angekündigt habe es nicht gegeben. Die Polizei werde bei Straftaten Beweise sichern und zugreifen, gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt, sagte Slowik. Die neue Polizeichefin hält damit an der Deeskalationslinie der vergangenen Jahre fest. Das sei die richtige Strategie, sagte Slowik, die seit drei Wochen im Amt ist. Auch Innensenator Geisel verteidigte die Strategie als richtig. Die Gemengelage sei schwierig gewesen. Die Polizei habe in den vergangenen Wochen zahlreiche Gespräche unter anderem mit kurdischen Verbänden und Vereinen geführt. dpa

Update 20.32 Uhr: Wie die dpa das Geschehen sieht
Wir wollen euch natürlich nicht vorenthalten, wie die Kolleg*innen der dpa die beiden »Revolutionären 1.Mai-Demos« in Berlin und Hamburg wahrgenommen haben:

Tausende Linke und Linksextreme sind am Abend des 1. Mai in Berlin und Hamburg gegen Kapitalismus, Rüstungsexporte und Rassismus auf die Straße gegangen. Zu den traditionellen »revolutionären 1. Mai-Demonstrationen« versammelten sich nach Polizeiangaben in Berlin-Kreuzberg anfangs rund 1500 Menschen, anschließend nahmen die Teilnehmerzahlen zu. In Hamburg kamen bei nasskaltem Wetter rund 2200 Demonstranten. Bis zum Abend blieb es zunächst friedlich. Aufgrund von Ausschreitungen in früheren Jahren war die Polizei mit starken Kräften präsent, allein in Berlin waren es 5300 Beamte. Hier gingen an der Spitze des Zuges zahlreiche schwarz gekleidete und vermummte Demonstranten. Es wurden Böller und bengalische Feuer gezündet sowie Fahnen geschwenkt. Rauchschwaden stiegen auf. Auch Fahnen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und Bilder ihres inhaftierten Anführers Abdullah Öcalan waren zu sehen. Wie im Vorjahr war die Demonstration nicht angemeldet worden. Auf Transparenten forderten die Demonstranten unter anderem »Befreiung & Solidarität International«, »Festung Europa einreissen - Bleiberecht für alle« und »Rüstungsexporte stoppen«. In Hamburg lauteten die Botschaften »Kapitalismus -immer noch scheiße« oder »Marx statt Merkel«. dpa

Update 20.17 Uhr: Lecker Sangria!
Unser nd-Reporter vor Ort in Kreuzberg hat uns eben eine Anekdote geschildert, die das ganze Dilemma dieser Demo illustrieren könnte. Am Schlesischen Tor hat jemand einen Eimer mit Sangria fallen lassen. Das Partygetränk ergoss sich über den Boden. Und was macht der Besitzer samt seiner Trinkkumpanen? Schnappen sich ihre Strohhalme und schlürfen die Brühe vom Boden. Das nennen wir Einsatz!… Oder Geschmacksverirrung.

Update 20.08 Uhr: Alles in Berlin schon vorbei?
Was? Wer? Warum? Wir sind von der Kreuzberger Mai-Demo echt viele harte Sachen gewöhnt. Aber heute ist es wirklich kurios: Offenbar ist der Zug vorbei, jedenfalls haben sich die Demonstrerenden am Schlesischen Tor in alle Winde zerstreut. Zurück zum MyFest geht es allerdings nicht. Dafür sorgt die Polizei mit einer Kette. Wir halten fest: Früher war echt mehr Lametta!

Update 19.48 Uhr: Kein Weiterkommen am Schlesischen Tor
Was hat die Polizei vor? Irgendwie kein Weiterkommen auf der »Revolutionären 1. Mai Demo« in Kreuzberg. Die Situation ist unübersichtlich. Das könnte es gewesen sein. Die Polizei trennt Demonstranten und das Partyvolk am Schlesischen Tor. Feiernde und Ex-Demonstranten sind hier aber nicht mehr zu unterscheiden. nd

Update 19.30 Uhr: Radikaler Mai-Protest als Zufallsprodukt
Linksradikale Demonstrationen am 1. Mai sind keine Spezialität von »Szenehauptstädten« wie Berlin oder Hamburg. In Bochum und Wuppertal gibt es auch linke Gruppen, die zum Tag der Arbeit Akzente setzen wollen. nd-Reporter Sebastian Weiermann war für uns vor dabei.

Update 19.20 Uhr: »Yuppischweine raus aus den Kiezen«
Jetzt wird es eng rund um die »Revolutionäre 1. Mai-Demo« an der Ecke Skalitzer Straße Ecke Wrangelstraße. Wegen der vielen Feiernden kommen die Revolutionäre nicht weiter. Derzeit steht die Demonstration. »Yuppischweine raus aus den Kiezen«, rufen die Teilnehmer.

Update 19.05 Uhr: Pyros, Böller, Flaschenwürfe
Vor dem Görlitzer Park gibt es vereinzelt Böller- und Flaschenwürfe auf Polizisten, die die »Revolutionäre 1. Mai-Demo« filmen. Immer wieder wird im Frontblock Pyrotechnik gezündet. Viele Menschen schließen sich der Demo an. nd

Update 18.54 Uhr: Revolutionäre Berliner Demo läuft
Die »Revolutionäre 1. Mai Demo« durch Berlin-Kreuzberg ist gestartet und ist aus der Mariannenstraße kommend in die Skalitzer Straße eingebogen. Bisher gibt es keine Polizeibegleitung, es werden PKK-Fahnen gezeigt. nd

Update 18.27 Uhr: Keine Einheitsfront
Trotz der zahlreichen sozialen Konflikte, die Frankreich gegenwärtig bewegen, ist der Linken nicht gelungen, am 1. Mai gemeinsam gegen die von ihr abgelehnte Reformpolitik von Präsident Macron aufzutreten, berichtet Ralf Klingsieck aus Paris.

Update 18.13 Uhr: Kreuzberg schafft sich ab
Mit dem Maigörli wird Kreuzberg immer weiter zum Ballermann. Wer Kreuzberg wieder lebenswert machen will, muss den ganzen Partyzirkus komplett abschaffen, fordert nd-Reakteurin Johanna Treblin. Vielleicht machen die Feierfreudigen dann wieder mehr Politik.

Update 18.00 Uhr: Ein Tag mit der Gewerkschaftsbasis
Hessens Landesregierung ist für die DGB-Gewerkschaften oft eine unangenehme Widersacherin. Nun nutzten die Gewerkschafter den 1. Mai, um auf Missstände aufmerksam zu machen. Hans-Gerd Öfinger berichtet aus Wiesbaden.

Update 17.40 Uhr: Problemkiez Villenviertel
Tausende Aktivist*innen haben in Berlin-Grunewald gegen ungleiche Reichtumsverteilung demonstriert. Mit elektronischer Musik und viel Humor wurde der Protest in das Villenviertel getragen. nd-Reporter Christian Meyer war vor Ort.

Update 16.55 Uhr: Weltweit für mehr soziale Sicherheit
Auf der ganzen Welt demonstrieren heute Arbeiter und Beschäftigte zum 1. Mai für bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne. Moritz Wichmann liefert einen Überblick über das, was weltweit am Tag der Arbeit passiert, inklusive länderspezifischer Eigenarten.

Update 16.35 Uhr: »Super Stadt« ohne super Einkommen
Den 1. Mai begehen die Gewerkschaften traditionell vor dem Brandenburger Tor. Rot-Rot-Grün ist mit dabei. Das Verhältnis zu den Gewerkschaften ist weiter gut, doch es gab auch Kritik, berichtet Philip Blees.

Update 15.50 Uhr: 800 Menschen demonstrieren gegen NPD-Aufmarsch
Hunderte Menschen haben in Erfurt gegen einen Aufmarsch der rechtsextremen NPD protestiert. Die Polizei sprach am Dienstag von etwa 800 Teilnehmern der Gegendemonstration. Die NPD hatte ihre Anhänger aufgerufen, am 1. Mai in die Thüringer Landeshauptstadt zu kommen. An dem Aufmarsch durch die Innenstadt beteiligten sich nach Angaben der Polizei etwa 700 Anhänger aus der Neonaziszene. Gegendemonstranten versucht wiederholt, auf die Marschstrecke der NPD zu kommen.

Update 15.40 Uhr: Ab in den Problembezirk »Grunewald«

Man kann den 1. Mai in Berlin in den üblicherweise verdächtigen Bezirken verbringen. Oder man protestiert durch den »Problembezirk« Grunewald, wie es zur Stunde etwa 1500 Menschen tun. Dabei werdem so schöne Parolen skandiert wie etwa: »Bonzen lasst das Glotzen sein, lasst uns in die Häuser rein.« Was es mit dem Protest konkret auf sich hat, verrät nd-Kollege Niklas Franzen. nd

Update 15.30 Uhr: Digitalisierung im Sinne der Beschäftigten
Ein Blick in den tiefen Westen: Bei den Kundgebungen zum Tag der Arbeit im Saarland hat der DGB eine Anpassung der Arbeitsbedingungen an die fortschreitende Digitalisierung gefordert. Der Vorsitzende des Bezirks Rheinland-Pfalz/Saarland, Dietmar Muscheid, mahnte an, dass es »starke Gewerkschaften« brauche, um den Prozess der Digitalisierung im Sinne der Beschäftigten mitgestalten zu können. An den Kundgebungen nahmen in beiden Bundesländern laut DGB 15.000 Menschen teil.

Auch im Norden war die Digitalisierung der Arbeitswelt ein bestimmendes Thema. Der Vorsitzende des DGB Nord, Uwe Polkaehn, forderte zum Tag der Arbeit faire Arbeitsbedingungen und deutliche Lohnsteigerungen. Darüber hinaus müsse mehr für den Schutz und die Mitbestimmung der Beschäftigten bei der Einführung digitaler Technik in den Betrieben getan werden, sagte Polkaehn in Güstrow. Dort hatten sich zum Auftakt mehrerer 1.-Mai-Veranstaltungen der Gewerkschaften nach Polizeiangaben rund 100 Menschen versammelt. »Dieser ganze Mist, mit befristeten Kettenverträgen, mit Leiharbeit, Werkverträgen und billigen Minijobs, das darf so nicht bleiben«, sagte Polkaehn in einem vorab verbreiteten Redemanuskript. Mit Hilfe von Robotern, PC und Smartphone wollten die Unternehmer den Acht-Stunden-Tag knacken und die Ruhezeiten einschränken. dpa

Update 15.10 Uhr: Tausende demonstrieren in Wedding
Noch ein Nachtrag zur Walpurgnisnacht: »Widerständig und solidarisch im Alltag - Organize!« Unter diesem Motto zogen am Montagabend mehrere Tausend Menschen durch den Wedding. Zu dem Protest hatte das antikapitalistische Bündnis »Hände Weg vom Wedding« aufgerufen. Ein Demo-Bericht des Kolllegen Karl Hoffmann.

Update 14.55 Uhr: Proteste gegen Nazi-Aufmarsch in Chemnitz
Nach Schätzungen von Beobachtern sind etwa 800 Rechtsextreme dem Aufruf der Neonnazipartei »Der Dritte Weg« zu einem Aufmarsch durch Chemnitz gefolgt. Ihnen stellen sich diverse antifaschistische Bündnisse mit Protesten und Blockaden entgegen. Immer wieder gelingt ein Protest in Sicht- und Hörweite. Wie viele Gegendemonstranten unterwegs sind, lässt sich derzeit aber schwer schätzen.

Besonders cool: Unterstützt werden die Proteste unter anderem von der Chemnitzer Rockband Kraftklub mit einem Konzert. »Wenn man die Möglichkeit schon hat und so ein Mikrofon in der Hand hält, dann sollte man sich aussprechen gegen Rassismus, Faschismus und Homophobie«, sagte Sänger Felix Brummer vor mehreren Hundert Anhängern. rdm

Update 14.30 Uhr: Party ohne Absprache
Zum ersten Mal wurde der Görlitzer Park an einem 1. Mai eingezäunt. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg verspricht sich davon mehr Sicherheit, weniger Lärm und Dreck. Anwohner ärgern sich, berichtet Johanna Treblin.

Update 14.20 Uhr: Völkische Rechte fast ungestört in Zwickau
Das ist auch Sachsen: Mehrere hundert Menschen konnte die AfD in Zwickau einen Tag vor dem 1. Mai zu einer Kundgebung mit Björn Höcke mobilisieren. Dagegen protestierte ein überparteiliches Bündnis mit einem Bürgerpicknick und ein Antifa-Bündnis.

Update 13.55 Uhr: DGB-Chef ruft zum Kampf gegen Rechtspopulisten auf
DGB-Chef Reiner Hoffmann hat zum Kampf gegen Rassismus und Nationalismus aufgerufen. Bei der zentralen Mai-Kundgebung der Gewerkschaften in Nürnberg unter dem Motto »Solidarität, Vielfalt, Gerechtigkeit« kritisierte Hoffmann die »Rechten und Ewiggestrigen« in Europa. Er rief vor 6.500 Teilnehmern dazu auf, für soziale Rechte und Mitbestimmung sowie Frieden und Freiheit in ganz Europa zu kämpfen. Die sozialen Grundrechte müssten Vorfahrt haben vor wirtschaftlichen Freiheiten. Wer Europa abschotte, Belegschaften spalte und Hautfarbe wichtiger finde als den Menschen, der schüre nur Angst. Europa sei zwar in keiner guten Verfassung, »aber zu wichtig um es scheitern zu lassen«. epd

Update 13.43 Uhr: AfD-Politiker Reil kassiert Platzverweis
Im Westen hielt es die AfD offenbar nicht für nötig, eine eigene Veranstaltung zum 1. Mai auf die Beine zu stellen. Oder es fehlten ihr schlicht die Kapazitäten. Nur einer wollte sich offenbar nicht abschrecken lassen: Der AfD-Politiker Guido Reil. Wie im Vorjahr auch wollte er an einer Gewerkschaftsdemo in Essen teilnehmen. Weit kam er allerdings nicht. Wie die AfD Recklinghausen in einem Video dokumentiert, wurde Reil von der Polizei in Gewahrsam genommen. In dem Video ist zu sehen, wie der AfDler umringt von Presse und Beamten in einen Polizeiwagen gebracht wird. Gegenüber »Der Westen« erklärte eine Polizeisprecherin, Reil habe zuvor einen Platzverweis kassiert, dem er allerdings nicht nachgekommen sei. Grund sei gewesen, dass er »verbotene Gegenstände« bei sich geführt habe. rdm

Update 13.20 Uhr: Rechte marschieren im Osten auf
Sowohl die AfD als auch rechtsradikale Kleinstparteien wie die NPD in Erfurt oder der »Dritte Weg« in Chemnitz wollen den Tag der Arbeit instrumentalisieren. Doch wo sich Nazis blicken lassen, ist antifaschistischer Protest nicht weit. Auffällig ist, dass sich die neue und alte Rechte bei ihren Aufmärschen auf den Osten der Republik konzentriert. Im Gepäck: Die Botschaft vom »sozialen Patriotismus«. rdm

Update 13.15 Uhr: Repolitisierung des 1. Mai erwünscht
Nicht wenige Berliner, die früher politisch aktiv waren, flüchten am 1. Mai inzwischen lieber nach Brandenburg. Und tatsächlich hat sich der Maifeiertag in Kreuzberg als Freiluftkirmes inklusive Massenbesäufnis etabliert. Wenn überhaupt, spielt Politik dabei nur am Rande eine Rolle. Es ist deshalb zu begrüßen, dass es in diesem Jahr Versuche gibt, den 1. Mai und die Walpurgisnacht zu repolitisieren, findet nd-Redakteur Martin Kröger.

Bundesweite Demos gegen unsichere Beschäftigung

Berlin. In diesem Jahr stehen die Gewerkschafts-Demonstrationen am Tag der Arbeit unter dem Motto »Solidarität, Vielfalt, Gerechtigkeit«. Bei der zentralen Veranstaltung in Nürnberg wird unter anderen der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sprechen. Ver.di-Chef Frank Bsirske wird als Redner bei einer Demonstration in Braunschweig erwartet. Bei den Kundgebungen wollen die Gewerkschaften neben einer engagierteren Sozialpolitik auch »klare Kante gegen Rassismus« fordern, wie es im Demonstrationsaufruf heißt.

Die diesjährigen DGB-Kundgebungen stehen ganz im Zeichen der von der Großen Koalition versprochenen Verbesserungen für Beschäftigte. Bundesarbeitsminister Heil wird dabei in Halle auftreten. Der DGB fordert von der Regierung, das angekündigte Gesetz zum Recht auf befristete Teilzeitarbeit rasch umzusetzen. Auch die geplante Eindämmung der sachgrundlosen Befristung und die in Aussicht gestellten Hilfen für Langzeitarbeitslose müssten kommen. Die SPD fordert in ihrem Aufruf, mit den Mai-Kundgebungen gegen die »Hetzer von rechts« zu demonstrieren.

Juso-Chef Kühnert fordert 12 Euro Mindestlohn

Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert hat zum 1. Mai eine deutliche Erhöhung des Mindestlohns auf mindestens zwölf Euro je Stunde noch in dieser Wahlperiode gefordert. »Um den Mindestlohn armutssicher zu machen, müsste er schon heute zwölf Euro oder mehr betragen«, sagte der Chef der SPD-Nachwuchsorganisation der »Rheinischen Post« (Dienstag). Eine solche Erhöhung solle im Interesse der Beschäftigten besser gestern als heute erfolgen. Derzeit beträgt der gesetzliche Mindestlohn 8,84 Euro pro Stunde.

Mit Blick auf Hartz IV sagte Kühnert: »Bestehende Schikanen gehören abgeschafft, die Sanktionsmöglichkeiten vorneweg.« Viele Menschen hingen in unsinnigen Weiterbildungsmaßnahmen fest oder müssten umständlich die Reparatur von Haushaltsgeräten erstreiten. »Da sind viele Korrekturen nötig, um wieder zu einem würdevollen Umgang mit den Betroffenen zu finden.«

Auch Beate Müller-Gemmeke, Sprecherin für Arbeitnehmerrechte und Arbeitsmarktpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion, forderte, den Mindestlohn »spürbar« anzuheben. Auf dem Arbeitsmarkt gehe es »alles andere als gerecht zu.« »1,16 Millionen Menschen arbeiten und müssen ihren Lohn trotzdem im Jobcenter aufstocken, um über die Runden zu kommen«, kritisierte Müller-Gemmeke.

Auch ver.di-Chef Frank Bsirske fordert eine grundlegende Reform des Hartz-IV-Systems. Das Bundesverfassungsgericht habe klargestellt, dass Hartz IV das Existenzminimum abbilden müsse, sagte Bsirske der »Passauer Neuen Presse« (Dienstag). Da Hartz-IV-Leistungen aber durch Sanktionen gekürzt werden könnten, fielen die Betroffenen unter das Existenzminimum. »Das geht nicht«, unterstrich Bsirske. Es sei »Es allerhöchste Zeit, wieder eine Arbeitslosenhilfe einzuführen, die oberhalb des Sozialhilfeniveaus liegt«, forderte der ver.di-Chef.

Osten bleibt weiterhin abgehängt

In Brandenburg sind Demos unter anderem in Potsdam, Cottbus, Frankfurt (Oder), Rathenow und Luckenwalde geplant. IG-Metall-Bezirksleiter Berlin-Brandenburg-Sachsen, Olivier Höbel, sagte vorab: »Die Gestaltung der Arbeitswelt, das Durchsetzen tariflicher Erfolge, aber auch der Kampf um Arbeitsplätze und Standorte braucht heute mehr denn je starke Betriebsräte, starke Gewerkschaften und starke Mitbestimmung.«

»Es ist ein Skandal, dass insbesondere der Osten weiterhin so deutlich abgehängt ist«, kritisierte die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann. »Die Bundesregierung muss sich für die weitere Angleichung der Löhne einsetzen.« Sie forderte eine Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro und ein Ende für »systematische Niedriglohnbeschäftigung« wie Leiharbeit.

Schwerpunkt in Sachsen ist Chemnitz. Auf der Kundgebung sprechen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) und Sachsens DGB-Chef Markus Schlimbach. Neben den Forderungen nach gerechten Löhnen, Tarifsicherheit, Mitbestimmung, einem gerechten Steuersystem und bezahlbarem Wohnungen will der Deutsche Gewerkschaftsbund ein Zeichen gegen gesellschaftliche Spaltung, Ausgrenzung und Rassismus setzen.

In Chemnitz hat auch die Neonazi-Partei »Der 3. Weg« eine Demonstration angemeldet, zu der bis zu 1500 Anhänger und Sympathisanten erwartet werden. Dagegen hat sich breiter Protest formiert. Insgesamt haben rund 25 Parteien, Bündnisse, Initiativen, Vereine, Clubs und Kirchenvertreter gemeinsam dazu aufgerufen, friedlich gegen Rechts zu demonstrieren. Prominenter Unterstützer ist unter anderem die Rockband »Kraftklub«, die dort auf einer mobilen Bühne auftreten will.

In Thüringen ruft der DBG zum Tag der Arbeit zu Kundgebungen und Diskussionsrunden in fast 20 Städten auf. Aktionen zu den gewerkschaftlichen Prinzipien Solidarität, Vielfalt und Gerechtigkeit sind unter anderem in Erfurt, Weimar, Nordhausen, Jena, Saalfeld, Ilmenau, Bad Salzungen und Suhl geplant. Es geht um mehr Mitbestimmungsrechte für Arbeitnehmer, um Tariftreue sowie die Zukunft des Opel-Werks in Eisenach. In der Automobilstadt plant auch die AfD eine Kundgebung. In Erfurt ist die Polizei mit einem größeren Aufgebot an Beamten im Einsatz, weil auch die rechtsextreme NPD zu Aktionen aufgerufen hat.

Die Bergbaustadt Bottrop ist in diesem Jahr Schauplatz der zentralen Mai-Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbunds in Nordrhein-Westfalen - eine Ehrenbezeugung an die Kumpel für 200 Jahre Bergbau im Ruhrgebiet. In Bottrop wird zum Jahresende mit Prosper-Haniel die letzte deutsche Zeche schließen. Insgesamt sind zum Tag der Arbeit nach Angaben des DGB 74 Veranstaltungen in ganz NRW geplant.

Der DGB Nord hat zur Teilnahme an insgesamt 29 Maifeiern, Familienfesten, Demonstrationen und Kundgebungen zum Tag der Arbeit im ganzen Norden aufgerufen. Dabei wird Gewerkschaftschef Uwe Polkaehn zusammen mit Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und der neuen Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (beide SPD) in Rostock erwartet.

Doch die Gewerkschaften wollen von der GroKo nicht nur die Umsetzung von bereits Beschlossenem. Die Pläne der Großen Koalition etwa in der Pflege oder bei der Beschäftigung von Langzeitarbeitlosen könnten »nur der erste Schritt sein«, heißt es in einem am Sonntag veröffentlichten Aufruf des DGB zum 1. Mai. »Sie muss mutiger werden.«

»Wir wollen mehr soziale Gerechtigkeit, mehr solidarische Politik, mehr Förderung der Vielfalt«, heißt es weiter. Das, was sich die Koalition bisher vorgenommen habe, reiche nicht. Als Beispiel verwies der DGB auf die Vorhaben bei der Pflege, bei der Beschäftigung von Langzeitarbeitslosen, bei der sachgrundlosen Befristung, beim Rückkehrrecht auf Vollzeit und bei den Investitionen in Bildung und Wohnen.

Kein Mensch solle sich fragen müssen, »ob der Arbeitsplatz sicher ist, ob das Geld und später die Rente reichen«, erklärte der DGB. Er forderte für mehr Beschäftigte den Schutz von Tarifverträgen und ein Ende der Niedriglöhne, Mini- und Minijobs. Diese seien »keine Perspektive für die Zukunft«.

In Berlin und Hamburg begonnen die Proteste zum Tag der Arbeit bereits einen Tag vorher. Am Montagabend protestierten in Wedding linke Gruppen und Initiativen gegen steigende Mieten und Kapitalismus. Der Protest mit rund 2000 Teilnehmern blieb laut Polizei »weitestgehend störungsfrei«. Tausende Berliner und Touristen feierten friedlich die Walpurgisnacht. Laut Polizei gab es auch in der Nacht zum Dienstag keine größeren Zwischenfälle auf Walpurgisnacht-Veranstaltungen, weder in Berlin noch in Hamburg.

Die Polizei in Berlin hat sich gegen militanten Protest von Linksradikalen am 1. Mai vorbereitet. Rund um den Feiertag sind 5.300 Polizisten aus der Hauptstadt, aus neun anderen Bundesländern sowie der Bundespolizei im Einsatz. Innensenator Andreas Geisel erwartete eine Situation, die »vielleicht etwas schwieriger als im vergangenen Jahr« sei, sagte der SPD-Politiker im Vorfeld. Die linksradikale Szene tritt demnach einheitlicher auf. Dazu komme der Kurdenkonflikt, der die Stimmung anheizen könne. Die Veranstalter der Demonstration hatten angekündigt, PKK-Fahnen zu zeigen. Agenturen/nd

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