Mahathirs spektakuläres Comeback

92-jähriger Ex-Premier gewinnt in Malaysia die Parlamentswahlen

  • Daniel Kestenholz, Bangkok
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Parteienallianz unter dem früheren Premier Mahathir Mohamad, 92, besiegelte mit einem so klaren wie überraschenden, historischen Wahlsieg den Sturz des seit mehr als sechs Jahrzehnten herrschenden Regierungsbündnisses Barisan Nasional (BN) von Ministerpräsident Najib Razak.

Mahathir, der bereits 22 Jahre lang Premier war und sich vor 15 Jahren aus der Politik zurückzog, gelang damit nicht nur ein spektakuläres persönliches Comeback. In wenigen Monaten will der älteste Premier der Welt die Macht an seinen ehemaligen politischen Zögling Anwar Ibrahim abtreten, seinen früheren Vize, den Mahathir 1998 unter fadenscheinigen Vorwürfen gestürzt und hinter Gitter gebracht hatte.

Anwar sitzt derzeit wieder in Haft, wieder wegen angeblicher homosexueller Handlungen, die in Malaysia verboten sind. Mahathir versprach im Wahlkampf eine königliche Begnadigung für Anwar, um diesen vorzeitig aus der Haft zu entlassen und an seiner Stelle zum Premier zu ernennen. Nach der Amtseinschwörung will Mahathir schon mal Anwars Frau Wan Azizah Wan Ismail zur Vizepremierministerin ernennen. Sie wäre damit die ranghöchste Politikerin in Malaysias Geschichte.

Mit seiner Strategie, mit dem Segen Anwars gegen - so Mahathir - »Monsterpremier« Najib anzutreten, verstand es Mahathir, weite Bevölkerungskreise zu einen, zumal Anwar im Land noch immer populär ist und als das Opfer schmutziger politischer Intrigen gilt. Mahathir kam mit dieser Strategie aber auch mit seiner eigenen Vergangenheit ins Klare, war er doch verantwortlich für den Fall von Anwar.

Zudem war der Unmut im Land stärker als der alte Hass zwischen Mahathir und Anwar. Najib waltete wie ein König ohne Rechenschaftspflicht. Das Undenkbare geschah: Mahathir ging auf Anwar zu. Die alten Widersacher spannten zusammen. Die aus vier Parteien bestehende Koalition errang 121 der 222 Unterhaussitze. BN kam auf 79 Mandate, nur noch fast die Hälfte der 2013 gewonnenen 133 Sitze. Neben der Kontrolle über die nationale Regierung fielen auch mehrere regionale Parlamente zum ersten Mal in die Hände der Opposition.

Selbst die ländliche Bevölkerung, die traditionell BN wählt, wandte sich damit von Najib ab, der aus Angst vor der drohenden Niederlage der jungen Bevölkerung noch am Vorabend des Urnengangs versprach, die Einkommenssteuer zu erlassen. Najib ließ keinen Trick unversucht, um seine schwindende Popularität wettzumachen. Wahlen an einem Wochentag, und nicht wie gewöhnlich am Wochenende, sollten die Arbeiterklasse vom Wählen abhalten, die unter wachsenden Lebenshaltungskosten leidet. Neu gezogene Wahlbezirke bevorteilten das Regierungsbündnis und Najib versprach der ethnischen malaiischen Mehrheitsbevölkerung weitere Privilegien gegenüber ethnischen Chinesen und Indern.

Letztendlich aber stolperte Najib über einen Finanzbetrug. Auch wenn die breite Bevölkerung die genauen Verflechtungen des sogenannten 1MDB-Skandals nicht verstand, zumal Najib Rückendeckung durch hohe Richter und Politiker genoss, wurde der Skandal zum Synonym für Najibs Misswirtschaft. Najib war Gründer des staatlichen Vermögensfonds, über den mehrere Milliarden Dollar in dunklen Kanälen verschwanden und mindestens 700 Millionen Dollar ihren Weg in persönliche Konten von Najib fanden. Verwandte und Vertraute des Regierungschefs sollen mit Geld aus dem Fonds unter anderem Luxuswohnungen in New York, Gemälde von Van Gogh und eine 250-Millionen-Dollar Luxusyacht gekauft haben, die derzeit in Bali beschlagnahmt vor Anker liegt.

Der oberste Staatsanwalt der USA, Jeff Sessions, hatte 1MDB vergangenes Jahr als »schlimmsten Fall von Kleptokratie« bezeichnet, doch Malaysia verweigerte die Zusammenarbeit mit internationalen Ermittlungen. Mit der Niederlage von Najib und seiner Partei, die Malaysia seit der Erlangung der Unabhängigkeit regierte, dürfte jetzt aufgedeckt werden, was jahrelang unter Verschluss blieb.

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