Bayer bei Monsanto auf der Zielgeraden

Übernahme wird Hauptthema der Aktionärsversammlung in Bonn sein / Proteste angekündigt

  • Haidy Damm
  • Lesedauer: 4 Min.

Zwei Drittel der Genehmigungen für die Übernahme des US-Saatgutriesen Monsanto kann Werner Baumann am Freitag in Bonn den Bayer-Aktionären präsentieren. Darunter sind wichtige Zustimmungen aus Russland, China, Brasilien und von der EU-Kommission. »Strategisch haben wir große Fortschritte gemacht«, teilte der Konzernchef im Vorfeld mit. Noch keine endgültige Antwort hat Baumann von den Kartellbehörden aus dem Monsanto-Stammland USA. Trotz zuletzt positiver Signale von dort ist noch unklar, ob die US-Behörden weitere Auflagen fordern. Auch Indien hat die Übernahme bisher nicht genehmigt.

Auflagen musste die Bayer AG bereits mehr hinnehmen, als dem Vorstand recht sein dürfte. Fest eingeplant war der nun vollzogene Verkauf der Kunststofftochter Covestro, der 2,2 Milliarden Euro mehr einbrachte als erwartet. Der Verkauf ist ein wichtiger Baustein für den 66,5 Milliarden Dollar teuren Monsanto-Deal. Zudem ging die CropScience-Sparte für 1,7 Milliarden Euro an den Konkurrenten BASF. Insgesamt nahm Bayer mit den von den Kartellbehörden geforderten Teilverkäufen etwa 7,6 Milliarden Euro ein. Eine Kapitalspritze von Singapurs Staatsfonds Temasek brachte dem Konzern 3,7 Milliarden Dollar. Finanzchef Johannes Dietsch kündigte weitere Kapitalerhöhungen und Einsparungen an.

Es gibt auch weniger willkommene Kartellauflagen. Während Russland den Bau eines Forschungszen-trums und Technologiekooperationen mit russischen Agrarunternehmen forderte, verlangt die EU den Verkauf weiterer Unternehmensteile: Dazu gehört die Gemüsesaatgut-Tochter Nunhems mit über 2000 Mitarbeitern und eine Forschungsplattform für Weizen-Hybride. Auch Lizenzen für Digital-Farming-Anwendungen müssen verkauft werden. Letzteres dürfte besonders bitter sein. Monsanto und Bayer betreiben eigene IT-Plattformen, mit denen Landwirte ihren kompletten Betrieb digital steuern können, und wollen gerade diesen Bereich ausbauen. Als Käufer steht auch hier Konkurrent BASF bereit, ausgehandelt wurde dabei eine enge Kooperation. Mit der Abgabe dieser Geschäfte würden rund 2500 Mitarbeiter zu BASF wechseln, davon rund 150 in Deutschland. Der Chemiekonzern aus Ludwigshafen könnte zum eigentlichen Gewinner der Monsanto-Übernahme Bayers werden. Sollte sie noch scheitern, könnte BASF gar versuchen, selbst Teile von Monsanto zu übernehmen.

Das Personalkarussell ist bereits angefahren. Im neuen Konzern würde der bisherige CEO von Monsanto, Hugh Grant, nicht dabei sein; er bekommt Medienberichten zufolge gemäß Arbeitsvertrag eine Abfindung von 33,5 Millionen sowie Aktienoptionen im Wert von über 100 Millionen Dollar. Auch nicht mehr im Team ist Technologie-Chef Robb Fraley, der in den vergangenen Jahren »das Gesicht Monsantos« war. Der 65-Jährige warb offensiv für Gentechnik und industrielle Landwirtschaft. Dem neuen Führungsgremium gehören sieben Bayer- und fünf Monsanto-Manager an. Die neue Sparte CropScience soll der bisherige Bayer-Bereichschef Liam Condon leiten.

Wenn Konzernchef Baumann in den Bonner Messehallen vor die Aktionäre tritt, hat er nicht nur ein turbulentes und wirtschaftlich schwaches Jahr hinter sich. Auch die aktuellen Zahlen sind nicht gerade rosig. Unter dem Strich verdiente der DAX-Konzern im ersten Quartal 1,95 Milliarden Euro und damit rund sechs Prozent weniger als vor einem Jahr. Der Umsatz fiel im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahr um 5,6 Prozent auf 9,1 Milliarden Euro. Bayer macht Währungseffekte dafür verantwortlich. Der im Vergleich zum Dollar starke Euro sorgte dafür, dass Bayer-Exporte außerhalb des Währungsraums teurer und daher weniger nachgefragt werden. Im Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten plagen den Konzern aber auch strukturelle Probleme. Der Umsatz ging im ersten Jahresviertel wechselkursbereinigt um zwölf Prozent zurück. Ursache waren laut Bayer ein schwaches Geschäft in den USA sowie Umklassifizierungen von Medikamenten als rezeptpflichtig im Asien-Pazifik-Raum.

Ein weiteres Problem ist das schlechte Image von Monsanto, dem Baumann mit einer Kommunikationsstrategie begegnen will. Landwirtschaftsverbände und Umweltschutzorganisationen befürchten eine noch größere Abhängigkeit von dem fusionierten Konzern, der Saatgut, Unkrautvernichter und digitale Anwendungen aus einer Hand anbieten will. »Leidtragende der Machtkonzentration im Agrarbereich sind Kleinbäuerinnen und Kleinbauern auf der ganzen Welt«, meint Jan Urhahn, Referent beim entwicklungspolitischen Netzwerk Inkota. »Lokal angepasstes Saatgut, das ohne Gentechnik, chemischen Dünger und Pestizide Dürren und Überschwemmungen standhalten kann, wird weiter verdrängt. Die natürliche Widerstandsfähigkeit der landwirtschaftlichen Systeme nimmt ab.«

Für Freitag haben Landwirte, Imker, Umweltschutzgruppen und Pharma-Geschädigte Proteste in Bonn angekündigt. Die Coordination gegen Bayer-Gefahren fordert in einem Gegenantrag für die Hauptversammlung, die Übernahme von Monsanto zu stoppen, und wirft dem Konzern vor, eine marktbeherrschende Stellung im Agrarsektor erobern zu wollen. Außerdem seien die internationalen Lieferketten zu Lasten der Natur einzig auf Rendite ausgerichtet.

Bayer will die Übernahme indes bis Ende Juni abschließen. Konzernchef Baumann wird also bald wissen, ob er als der Manager in die Geschichte eingeht, der die Megafusion gemeistert hat, oder ob er, wie das »Manager-Magazin« ihn zitiert, »der CEO mit der kürzesteten Amtszeit in der Bayer-Historie« wird.

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