Ein talentierter junger Mann

Will Toledo, bekannt als Car Seat Headrest, ist ein freundlicher Nerd mit Gitarre und Kastenbrille. Heute tritt er im Festsaal Kreuzberg auf

  • Michael Saager
  • Lesedauer: 3 Min.

Indieschrammelrock ist tot? Es lebe der Indieschrammelrock! Wunderschön, suchend, kraftvoll herumpolternd, auf der Lauer liegend, Spannung aufbauend, verzweifelt herumlärmend - und dann gleich alles noch einmal. So fühlte es sich nicht nur von den späten 80ern bis in die mittleren 90er Jahre an, als US-Bands wie Hüsker Dü, Pavement, Volcano Suns oder Guided By Voices auf ihren verzerrten Gitarren leidenschaftlich oder lässig herumschrammelten. So ist es auch heute, etwa wenn das Art-Punk-Duo No Age seine Finger im Spiel hat. Oder Will Toledo.

Will wer? Ja, es soll ein paar Menschen geben, denen der Name des 1992 in einer Kleinstadt in Virginia geborenen und inzwischen in Seattle lebenden Musikers nichts sagt. Besser bekannt ist der freundliche Nerd mit den großen wachen Augen und der noch größeren Kastenbrille unter seinem etwas sonderbaren Künstlernamen Car Seat Headrest (der daher kommt, dass Toledo die Gesangsaufnahmen für seine ersten Alben auf dem Rücksitz seines Kleinwagens machte).

In der Highschool vermutlich zu einem beliebten Mobbing-Opfer der Football-Dumpfbacken geworden, kann Toledo eines besonders gut: ausdrucksstark singen. Mal erinnert er an die schüchterne Katze eines Slackers, dann wirkt er sehr nachdenklich, quietscht sich hoch ins Falsett, und ein paar Sekunden später schreit er melancholisch-hymnisch mit Kurt Cobain um die Wette. Und das nun schon zwölf Alben lang. Richtig gelesen: Zwölf.

Neben Mac DeMarco, Courtney Barnett oder Kurt Vile ist Will Toledo einer der wenigen Menschen mit Gitarre, von denen die Musikpresse noch Notiz nimmt. Immerhin. Seine frühen Alben veröffentlichte er via Bandcamp im Internet. Seit der talentierte junge Mann bei der so beliebten wie respektablen Indie-Plattenfirma Matador unter Vertrag ist, geht’s aufwärts mit seiner Karriere. Den Durchbruch schaffte er vor zwei Jahren mit »Teens of Denial«, seinem anmutig flexiblen Meisterwerk. Und um schließlich noch ein paar Worte zu seinem neuen Album »Twin Fantasy« zu sagen, für das selbstredend alles Gesagte gilt, außer dass es insgesamt nicht ganz so griffig rumpelt und hymnisch zwingend zuzupacken weiß: Es ist gar nicht neu.

Nachdem Toledo sein einst von ihm ganz allein aufgenommenes und, wie er sagt, »unfertiges« 2011-Frühwerk jetzt mit sechs anderen Musikern im Studio neu eingespielt hat, klingt »Twin Fantasy« freilich nicht länger nach karger Einsamkeit am Vierspurrekorder, sondern nach Indie-Werk von krachschrammeliger Opulenz. Wenn Sie den Autor dieser Zeilen, einen Lo-Fi- und Do-it-yourself-Fan früher Stunde, fragen: Wäre nicht nötig gewesen. Es macht aber auch nichts. Der emotionalen Tiefe der Songs kann nichts und niemand etwas anhaben. Und in anderen großartigen Bands spielen ja dann und wann auch mehrere Musiker mit.

Konzert: 31.5., 21 Uhr, Festsaal Kreuzberg, Am Flutgraben 2, Treptow.

Neues Album: Car Seat Headrest, »Twin Fantasy« (Matador/Beggars Group/ Indigo)

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