Jung und mutig

Die Geschichte von Michael »Mike« Jovy

  • Roland Kaufhold
  • Lesedauer: 2 Min.

Es war ein höchst außergewöhnliches illegales Treffen zweier junger Menschen an einem außergewöhnlichen Ort. Der 15-jährige Jean Jülich, der den gegen Hitler kämpfenden »Edelweißpriaten« angehörte und nach dem Krieg als Gastwirt eine Berühmtheit wird, und der nur um einige Jahre ältere Michael »Mike« Jovy entwerfen in NS-Haft Pläne, »Köln selbst zu befreien und die verantwortlichen Nazis den Amerikanern zu übergeben«. Ein halbes Jahrhundert später werden die beiden von der israelischen Gedenkstätte Yad Vashem als »Gerechte unter den Völkern« geehrt.

Jovy, 1920 in Gladbeck geboren, engagiert sich früh beim katholischen Jugendverband Neudeutschland gegen die Nazis. 1936 wird er erstmals verhaftet und 1941 wegen »Vorbereitung zum Hochverrat« zu sechs Jahren Zuchthaus verurteilt. Grundlage waren, so Jovy kurz vor seinem Tod, »unsere angeblichen und von der Gestapo gefälschten Geständnisse«. Er wird in das Zuchthaus von Siegburg verbracht. Dort finden die nächtlichen Treffen mit Jülich statt. Später, 1944, wird Jovy ins Strafbataillon 999 gesteckt und zwingt kurz vor der Kapitulation der Naziwehrmacht bereits den führenden Unteroffizier seiner Einheit zur Aufgabe. Nach Kriegsende setzt er sein Engagement in der Jugendbewegung fort, engagiert sich gegen die Wiederbewaffnung, studiert Politikwissenschaft und promoviert über »Jugendbewegung und Nationalsozialismus«. Der junge Familienvater beschließt, in den diplomatischen Dienst einzutreten, doch der Verfassungsschutz erhebt Einspruch, auf die Gestapoakten zurückgreifend. »Ich sei in der illegalen Jungenschaft gegen Hitler gewesen, ferner Führer der Deutschen Jungenschaft nach dem Kriege und daher Kommunist« erinnert sich Jovi. Das Auswärtige Amt jedoch gibt dem Druck nicht nach. 1955 geht Jovy als Diplomat ins ferne Australien. Später arbeitet er in Mali, in Kongo und Kamerun, in Algerien, Rumänien und Italien.

Kurz vor seinem Tode 1983 erreicht er seine größte Ehrung. Er ist zu krank, um nach Israel zu reisen und nimmt die Auszeichnung in der israelischen Botschaft in Rom entgegen. Der Botschafter nennt ihn einen »mutigen Deutschen«, der es wagte, »die Kraft des Bösen herauszufordern«. Zwei Monate danach hört das von langer Nazihaft geschädigte Herz von Jovi auf zu schlagen. Die Kinder und Jugendlichen der Kölner »Edelweißpiraten« werden noch Jahrzehnte nach dem Krieg in ihrer Heimat als »Kriminelle« angesehen und erst 2005 offiziell rehabilitiert.

Horst-Pierre Bothien/ Matthias von Hellfeld/ Stefan Peil/ Jürgen Reulecke: Ein Leben gegen den Strom. Michael »Mike« Jovy. LIT-Verlag, 184 S., br., 14,90 €.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.