Der Schurke ist der Gute

»Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete« von Otfried Preussler ist ein Schlag ins Gesicht der staatlichen Autorität

Man kann inzwischen fast die Uhr danach stellen: Jedes Jahr gibt es einen neuen Film aus der Star-Wars-Reihe. Oder einen dieser Spin Offs aus dem Jedi-Universum. Zuletzt wurde die Geschichte des Schmugglers Han Solo verfilmt. Die meisten Menschen mit gutem Geschmack haben von der sinnlosen Weltraumfliegerei inzwischen die Nase voll. Ins Kino gehen sie trotzdem, schließlich wollen sie erstens wissen, wie die Geschichte weitergeht. Und zweitens beim Zerreißen des Films nicht tatenlos zusehen.

Ein etwas anderes »Science-Fiction«-Abenteuer ist kürzlich in Buchform erschienen. Statt Weltraumhelme tragen die Protagonisten Kasperlmütze, Seppelhut, Pickelhaube und Feder an der Krempe. Geschossen wird nicht mit Laserkanonen, sondern - wenn überhaupt - mit einer Pfefferpistole. Und statt Lichtschwertern gibt es sieben Messer am Gürtel des Bösewichtes. Auf 61 Seiten wird in »Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete« die vierte Geschichte des Unholds mit dem Vollbart erzählt. So faszinierend wie in den drei Bänden davor auch. Wer will schon Luke Skywalker und den kleinen grünen Besserwisser Joda auf der Leinwand sehen, wenn er oder sie mit Kasperl und Seppel auf Verbrecherjagd gehen kann?

Die Geschichte ist kurz erzählt: Hotzenplotz bricht mal wieder aus dem örtlichen Spritzenhaus aus - Wachtmeister Dimpfelmoser hatte das Tor nicht zugesperrt. Kasperl und Seppel wollen ihn wieder hinter Schloss und Riegel bringen. Doch wie? Sie basteln eine Rakete aus Karton und Klebeband, suchen den Räuber auf und reden ihm ein, dass er mit dem angeblichen Fluggerät zum Mond emporsteigen kann. Denn, das wisse doch jedes Kind, der Mond sei aus purem Silber. Und weil Hotzenplotz nicht die hellste Kerze auf der Torte ist, geht er den beiden Freunden auf den Leim: Er steigt in einen Kartoffelsack (»Raumanzug«) und quetscht sich in die »Rakete«. Darin steckt er nun fest, kann sich nicht mehr bewegen und wird von Dimpfelmoser wieder einkassiert.

Es grenzt an ein Wunder, dass dieses Buch von Otfried Preußler überhaupt erschienen ist - schließlich ist der bekannte Kinder- und Jugendbuchautor, der unter anderem »Die kleine Hexe«, »Das kleine Gespenst« und »Krabat« veröffentlicht hat, vor fünf Jahren gestorben. Seine Tochter, Susanne Preußler-Bitsch, hat jedoch im Nachlass ihres Vaters das Manuskript eines Theaterstückes entdeckt. Daraus entwickelte sie nach eigener Auffassung ein »erzähltes Kasperltheater zwischen zwei Buchdeckeln«, das es nun käuflich zu erwerben gibt.

Auch im vierten Band zeigt »Hotzenplotz« der staatlichen Autorität, was er von ihr hält: nämlich gar nichts. Der Räuber ist und bleibt ein Rebell mit großem schwarzen Hut, ein barfüßiger Anarchist, ein gutmütiger Tunichtgut, der im Zweifel auch von seiner Pfefferpistole Gebrauch machen kann. Er ist liebenswert und gutgläubig, dabei etwas grob und ungelenk. Ein Teddybär, den man lieb haben muss. Hotzenplotz gibt dem Leser zu verstehen: Der Schurke in dieser Geschichte ist in Wirklichkeit der Gute - auch wenn er am Ende wieder eingesperrt wird.

So wie in den ersten Bänden wird auch in »Der Räuber Hotzenplotz und die Mondrakete« die Staatsmacht als Witzfigur dargestellt - in der Figur des Wachtmeisters Dimpfelmoser. Diese »Amtsperson«, die durch seine Kleidung an einen General der preußischen Armee erinnert, ist behäbig, glatzköpfig, dümmlich und mehr an Großmutters Pilzsuppe interessiert als daran, das Gesetz zu hüten. Mit anderen Worten: Er ist zu nichts zunutze. Ein Schelm, wer dabei an einen Polizeibeamten auf dem platten Land denkt.

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