- Politik
- Vor Urteil zum Beamtenstreikrecht
Wenn alles gut ist, wird auch nicht gestreikt
Die frühere Beamtin und Lehrerin Monika Dahl ist für das Beamtenstreikrecht bis zum Bundesverfassungsgericht gezogen
Warum haben Sie im Jahr 2009 Ihre Dienstpflicht verletzt, wie es bei Beamten heißt?
Damals wollte die schwarz-gelbe Landesregierung in Nordrhein-Westfalen die Altersteilzeit zurücknehmen. Es ging um Schulgesetzänderungen, die größer werdende Einkommensschere zwischen Angestellten und verbeamteten Kolleginnen - also um ein ganz großes Paket. Deshalb bin ich damals dem Streikaufruf der GEW gefolgt.
Monika Dahl hat 2009 als verbeamtete Lehrerin an drei Tagen gestreikt. Wegen des Stundenausfalls wurde der heute 53-Jährigen eine Geldstrafe in Höhe von 1500 Euro aufgebrummt. Dagegen zog sie vor Gericht. Inzwischen wurde die Summe auf 300 Euro gesenkt. Heute lebt sie in Nordhessen und arbeitet als freischaffende Filmemacherin. Mit ihr sprach Ines Wallrodt.
Haben damals viele Ihrer Beamten-Kolleginnen mitgestreikt?
Nicht so viele. Aber sie fanden gut, was ich gemacht habe.
Sie arbeiten seit Jahren nicht mehr als Lehrerin. Interessiert Sie das Beamtenrecht heute wirklich noch?
Es geht ums Prinzip. Und im Herzen bin ich halt immer noch Gewerkschafterin. 60 Prozent der GEW-Mitglieder sind verbeamtete Kolleginnen und Kollegen. Die fragen sich, warum soll man in einer Gewerkschaft sein, wenn man seine Interessen als Ultima Ratio nicht auch mit Streik durchsetzen kann?
Wünschen sich Beamte wirklich das Streikrecht?
Ja, schon immer haben verbeamtete die angestellten Lehrkräfte bei deren Aktionen unterstützt. Aber letztendlich müssen sie abwarten, was die Angestellten erkämpfen. Wenn Beamte streiken können, werden sie aber sicherlich auch mehr aktiv und treten in eine Gewerkschaft ein.
Die Angestellten erkämpfen Gehaltsverbesserungen, die dann auf die Beamten übertragen werden. Ist doch auch bequem, oder?
In den vergangenen Jahren sind die Regierungen immer mehr von der alteingeübten Linie abgewichen, dass die Beamtenbesoldung den Tarifergebnissen folgt. Beamte mussten teilweise Einbußen hinnehmen. Das Weihnachtsgeld wurde gekürzt, bei der Altersteilzeit ist eine progressive Regelung zurückgenommen worden, die Stundenzahl wird nicht angemessen reduziert. Als verbeamtete Kollegin ist man so gut wie wehrlos. Das ist das Allerschlimmste.
Haben Beamte wirklich ein Problem, ihre Interessen durchzusetzen? Angestellten Lehrern geht es doch viel schlechter.
Die Beamten werden nicht mehr so hofiert, wie man gemeinhin annimmt. Ja, sie sind unkündbar und erhalten eine Pension. Aber viele Regelungen sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. In manchen Ländern bekommen verbeamtete Lehrer Weihnachtsgeld, in anderen nicht. Über den Beamtenstatus entscheiden oft die Finanzminister. Beamte sind kurzfristig sicherlich kostengünstiger, weil der Arbeitgeber keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen muss. Auf lange Sicht kommen jedoch die Pensionszahlungen dazu. Das wird gerne vergessen, wenn in Zeiten des Lehrerinnenmangels einzelne Landesregierungen versuchen, mit der Aussicht auf Verbeamtung mehr Menschen für den Lehrerberuf zu gewinnen.
Sind die Beamtenprivilegien aber nicht mit dem Streikverbot verknüpft, wie es so schön heißt: Treue und Gehorsam gegen staatliche Fürsorge?
Lehrerinnen und Lehrer, die im Dienst des Staates tätig sind, müssen gut bezahlt werden. Das gilt für Angestellte wie für Beamte. Das trift auch auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte zu, die in einem erschreckenden Maße unterbezahlt sind. Der Staat muss seine Leute ordentlich entlohnen, er muss die Schulgebäude sanieren und die Leute gut fortbilden. Da ist eine Menge zu tun. Das Streikrecht ist ein Baustein für bessere Bildung.
Wo noch viele verbeamtet werden, kann der Streikausfall leicht durch Beamte kompensiert werden. Das schwächt auch die Angestellten.
Ganz genau. Die Spaltung in Angestellte und Verbeamtete ist denkbar schlecht. Wobei die verbeamteten Kolleginnen und Kollegen inzwischen wissen, dass sie den Dienst nicht tun müssen, sie nicht als Streikbrecher eingesetzt werden dürfen. Die können höchstens dazu verdonnert werden, Aufsicht zu führen.
Ist nicht der Beamtenstatus an sich vormodern?
Da bin ich mir nicht sicher. Zumindest ist offenkundig, dass der Status schon jetzt recht willkürlich vergeben wird. Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern wurden Lehrerinnen viele Jahre gar nicht verbeamtet.
Der Beamtenbund dbb lehnt das Streikrecht ganz entschieden ab.
Das ist eine andere Geschichte. Eigentlich verstehe ich nicht, warum der Beamtenbund unseren Weg, das Beamtentum zu modernisieren, nicht mitgeht
Der dbb sieht mit dem Streikrecht das gesamte Berufsbeamtentum in Gefahr.
Das sehe ich nicht so. In den meisten anderen Ländern Europas dürfen Beamte streiken. Auch in Deutschland steht nirgendwo geschrieben, dass Beamte nicht streiken dürfen. Und klar ist ja auch: Gewerkschaften gehen verantwortungsvoll mit dem Instrument Streik um.
Was tun Sie, wenn das Bundesverfassungsgericht das Streikverbot bestätigt. Ziehen Sie nach Straßburg vor den Menschenrechtsgerichtshof?
Man wird sich das Urteil genau anschauen und prüfen müssen. Dann entscheiden wir, wie es weiter geht.
Bei der mündlichen Verhandlung hat die Bundesregierung hervorgehoben, dass gerade Lehrer nicht streiken dürften, damit kein Unterricht ausfällt.
Lehrerinnen haben eine wichtige Aufgabe im Staat. Aber sie sind nicht so unabdingbar wie Feuerwehrleute oder Polizeibeamte. Bildung kann nachgeholt werden. Der meiste Unterricht fällt nicht wegen Streiks aus, sondern wegen des Lehrermangels. Da müssen sich die Landesregierungen als Arbeitgeber selbst an die Nase fassen. Wenn alles gut ist, wird auch nicht gestreikt. Lehrer streiken nicht aus Spaß.
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