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  • Arbeitskampf bei Halberg Guss

Goliath gegen Goliath

Unbefristeter Streik bei VW-Zulieferfirma Halberg Guss in Leipzig

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.

Auf dem Werksgelände stehen vier rostige Kippmulden aus Blech Wand an Wand, daran Schilder: »Dieser Betrieb wird bestreikt«. Eine Barrikade sieht anders aus, aber die Botschaft ist klar: Bei der Neuen Halberg Guss GmbH in Leipzig dreht sich seit diesem Donnerstag nichts mehr. Um 6 Uhr sind die Beschäftigten in einen Streik getreten - unbefristet. Bei einer vorangegangenen Urabstimmung hatte es ein mehr als klares Signal gegeben: 98,37 Prozent für Streik.

Anlass für den Ausstand ist die Ankündigung des Unternehmens, sein Werk Leipzig mit 610 Stammbeschäftigten und 90 Leiharbeitern voraussichtlich Ende 2019 zu schließen. Das sei »unumgänglich, da sonst das Unternehmen als Ganzes in seiner Existenz gefährdet wäre«, hieß es zur Begründung. In einem zweiten Werk in Saarbrücken sollen nach Angaben der IG Metall 300 von jetzt 1700 Stellen gestrichen werden.

Aus Sicht der IG Metall geht es um mehr als einen weiteren Traditionsbetrieb, der von Schließung bedroht ist - ein Szenario, das man in Leipzig nur allzu gut kennt: Das Kompressorenwerk von Siemens im Stadtteil Plagwitz steht ebenfalls vor einer ungewissen Zukunft; ob ein Konzept der Belegschaft greift und ein Käufer den Betrieb rettet, ist weiter ungewiss. Im Fall von Halberg Guss indes kämpfe man »stellvertretend für alle Beschäftigten in Ostdeutschland«, sagte Olivier Höbel, Bezirksleiter der Metallgewerkschaft in Sachsen, Berlin und Brandenburg, zum Streikauftakt. Es gehe um die soziale Existenz, »aber auch um die Ehre und Würde von hart arbeitenden Menschen, die sich nicht zum Spielball von mächtigen Kapitalinteressen machen lassen«.

Wie ein Spielball erscheint Halberg Guss, wo Kurbelgehäuse, Kurbelwellen und Zylinderköpfe aus Grauguss für Motoren produziert werden, in der seit Jahren und mit harten Bandagen geführten Auseinandersetzung zwischen dem Volkswagen-Konzern und einem wichtigen Zulieferer: der im Besitz der bosnischen Unternehmerfamilie Hastor befindlichen Prevent-Gruppe. Die hatte die Neue Halberg Guss erst vor wenigen Monaten über eine Tochterfirma übernommen. Es gehe um einen »Streit ›Goliath gegen Goliath‹«, sagt Höbel. Er befürchtet, dass die Beschäftigten in Leipzig zu weiteren Leidtragenden eines Geschäftsmodells werden könnten, »das ausschließlich an kurzfristigen Maximalprofiten ausgerichtet ist«.

Im Clinch zwischen Prevent und VW geht es vor allem um Preise. Im Fall der Erzeugnisse von Halberg Guss sollen diese teils um den Faktor 10 erhöht worden sein, schreibt die Nachrichtenagentur dpa unter Berufung auf ein internes Schreiben. Darin stelle der Zulieferer auch in Abrede, dass es gültige Verträge gibt. VW dagegen verweist auf »ungekündigte Lieferverträge« und fügt an, man habe »bereits mehrfach einen Beitrag zur Sanierung« von Halberg Guss geleistet.

Der Leipziger Betrieb ist nicht der erste, über den der Konflikt ausgetragen wird. 2015 kaufte Prevent einen Hersteller von Sitzbezügen in Brasilien und verhängte umgehend einen Lieferstopp an VW, der gravierende Folgen hatte: ein dortiger Produktionsstopp für 160 Tage, 140 000 nicht gebaute Fahrzeuge, Zwangsurlaub. 2016 eskalierte der Streit erneut, diesmal mit den im sächsischen Vogtland ansässigen Prevent-Töchtern ES Automobilguss und Car Trim. Wieder standen bei VW Bänder still. Im April 2018 kündigte der Wolfsburger Konzern die Lieferverträge mit beiden Firmen. Prevent kündigte eine Schadenersatzklage an.

Direkter Auslöser für den Streik in Leipzig sind gescheiterte Verhandlungen zu einem Sozialtarifvertrag. Dazu gab es in Saarbrücken zwei Gesprächsrunden - mit aus Sicht der IG Metall unbefriedigenden Ergebnissen. Sie fordert eine Qualifizierungsgesellschaft und einen vom Unternehmer finanzierten Treuhandfonds. Daraus sollen etwa Abfindungen bezahlt werden. Auf Handzetteln, die jetzt beim Streik verteilt wurden, ist von je 3,5 Monatseinkommen sowie Zuschlägen für Beschäftigte mit Kindern die Rede.

Das Unternehmen hatte versucht, den Arbeitskampf auf gerichtlichem Wege verbieten zu lassen. Ein Antrag auf einstweilige Verfügung war aber vom Arbeitsgericht Leipzig am Mittwoch zurückgewiesen worden. Höbel begrüßte das Urteil: Das Streikrecht sei »die einzige Möglichkeit der ökonomisch Schwachen, sich gegen die Willkür mächtiger Arbeitgeberinteressen zur Wehr zu setzen«. Unmittelbar danach begannen erst die Urabstimmung und dann der Streik - der nun unbefristet geführt wird.

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