- Politik
- Seenotrettung im Mittelmeer
Hilfsschiffe liegen weiter auf dem Meer fest
Die italienische Regierung erklärt sich für Rettung von Geflüchteten vor Libyen nicht länger zuständig
»Lieber Matteo Salvini, wir haben kein Fleisch an Bord, sondern Menschen.« Vom deutschen Rettungsschiff »Lifeline« kommen auch am Sonntag wieder Aufrufe, dass Italiens Innenminister - ja ganz Europa - ein Herz zeigen solle. Seit Donnerstag ist das Boot der Dresdner Organisation blockiert. Die Initiative sucht weiter nach einer Lösung für ihr Rettungsschiff »Lifeline« im Mittelmeer mit rund 230 Geflüchteten an Bord, das von Italien abgewiesen wurde. »Das Schiff liegt vor Malta in internationalen Gewässern«, sagte Lifeline-Sprecher Axel Steier am Sonntag gegenüber »nd«. Die Geflüchteten wurden am Donnerstag von dem Schiff aus Seenot gerettet. Seither wird ein Hafen gesucht. Nach Angaben von Steier sind inzwischen Verhandlungen zwischen mehreren Ländern im Gang, unter anderem zwischen Malta und Spanien.
Die Verhältnisse auf dem Schiff sind beengt. Viele Menschen sind krank. »Wir brauchen dringend einen sicheren Hafen«, betonte Steier. »Sie dürfen nicht länger auf dem Wasser hin- und hergeschickt werden.« Die dänische Reederei Maersk Line berichtete indessen, eines ihrer Containerschiffe habe nahe der italienischen Küste 113 Geflüchtete aus Seenot gerettet. Die Besatzung der »Lifeline« half dabei, die Menschen an Bord zu bringen. Das Schiff wartet ebenfalls auf Zuweisung einen sicheren Hafen.
»Es scheint, dass die Weltpolitik auf dem Rücken dieser Menschen ausgetragen wird«, sagte Kapitän Claus-Peter Reisch. In einem Video der Organisation ist zu sehen, wie Männer dicht an dicht auf Deck sitzen. Die Lage sei vergleichsweise ruhig, so Reisch, auch den vier Säuglingen mit ihren Müttern gehe es gut.
Italiens Küstenwache erklärt sich derweil als nicht länger zuständig für die Rettung vor der libyschen Küste. Ab sofort sollten sich Kapitäne, die sich im Gebiet vor Libyen befänden, mit Hilferufen an die libysche Küstenwache wenden, erklärte die italienische Küstenwache am Samstag.
Die Mitteilung steht im Widerspruch zur bisherigen Praxis. Bei der Koordinierung von Rettungsaktionen außerhalb der eigenen Gewässer hatte die italienische Küstenwache bislang häufig eine wichtige Rolle gespielt. Die vor drei Wochen angetretene italienische Regierung aus der fremdenfeindlichen Lega und der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung hat jedoch eine Kehrtwende in der Flüchtlingspolitik vollzogen. Sie kündigte an, Rettungsschiffe künftig generell abzuweisen.
Die Organisation SOS Méditerranée wandte sich anlässlich des EU-Sondergipfel am kommenden Freitag mit einem dringenden Appell an die EU-Mitgliedstaaten. Sie müssten garantieren, dass auf See geltende internationale Abkommen eingehalten werden, fordert die Organisation. Menschen, die aus Seenot gerettet werden, müssen in einen Hafen gebracht werden, wo ihre Grundrechte sichergestellt sind.
Der UN-Hochkommissar für Flüchtlinge, Filippo Grandi, machte sich anlässlich des Gipfels in Brüssel ebenfalls für eine humanitäre Lösung stark. Die Zahl der Migrantinnen und Migranten, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, sei auf das Niveau von vor 2014 zurückgegangen. »Europa ist heute nicht mehr im Kern einer Migrations- oder Flüchtlingskrise«, sagte er. Mehr als neun von zehn Geflüchteten oder Vertriebenen weltweit befänden sich außerhalb Europas.
Am Donnerstag vergangener Woche hatte das UN-Flüchtlingshilfswerk beklagt, dass innerhalb von nur drei Tagen 220 Geflüchtete im Mittelmeer ertrunken seien. Weltweit waren nach UN-Angaben 68,5 Millionen Menschen im Jahr 2017 auf der Flucht. mit Agenturen
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