Auf Abwegen in Innsbruck

Horst Seehofer sucht Schulterschluss mit Amtskollegen und gerät nach Suizid eines Flüchtlings unter Druck

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.

Flüchtlinge, die etwa aus Italien auf eigene Faust nach Deutschland weiterreisen, sind Horst Seehofer ein Dorn im Auge. Für seinen Amtskollegen Matteo Salvini hingegen liegen die Dinge etwas anders. Denn die meisten Flüchtlinge kommen in Italien an, das damit nach den Dublin-Regeln zuständig für die Asylverfahren wird. Auf Italien - wie auf Griechenland, Malta oder Spanien - liegt damit die Hauptlast bei der Unterbringung der in die EU geflüchteten Menschen und der Abwicklung ihrer Asylverfahren. Und wer von sich aus das Land verlässt, in welcher Richtung auch immer, trägt zur Entspannung des Problems bei.

Salvini ist dennoch ein potenzieller Verbündeter für Seehofer. Denn genau wie auch der österreichische Innenminister Herbert Kickl schlägt der Mann von der rechtspopulistischen Lega Töne zum Thema Flüchtlingspolitik an, die Seehofers Vorstellungen einer »konsequenten Flüchtlingspolitik« ähneln. Mit Salvini und Kickl hat sich Seehofer deshalb vor Beginn des Rats der EU-Innenminister in Innsbruck getroffen. Und danach teilte man mit, eine »Kooperation der Tätigen« verabredet zu haben, die die »Kooperation der Willigen« ablösen werde.

Das klingt wie ein Gegenprojekt zu den »Untätigen«, und unwillkürlich kommt der monatelange Streit Seehofers mit der Bundeskanzlerin in den Sinn. Tatsächlich scheint der CSU-Chef in Salvini und Kickl Gleichgesinnte gefunden zu haben. Salvini hat zuletzt verfügt, italienische Häfen für NGO-Rettungsschiffe zu sperren und will das Verbot auch auf die Schiffe der internationalen EU-Missionen ausweiten. Kickl propagierte nicht nur Rückführungszentren außerhalb der EU - auf freiwilliger Basis für die betreffenden Länder. Bisher hat sich jedoch kein afrikanisches Land gefunden, das als Bollwerk für die EU herhalten will. Dennoch sprach Kickl in Innsbruck geheimnisvoll von einem Modellprojekt, über das er in Nordafrika in Verhandlungen sei. Der österreichische Minister meint auch, dass Flüchtlinge ihre Asylanträge überhaupt nicht mehr innerhalb der EU stellen können sollten.

Dies rief in Innsbruck allerdings Widerstand hervor. EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos erteilte der Idee am Donnerstag indirekt eine Absage: »Die Politik der Europäischen Union bei diesem Thema ist sehr klar: Sie basiert auf Werten und Prinzipien. Wir sind alle an die Genfer Flüchtlingskonvention gebunden.« Wichtig sei, Menschenleben zu retten und die Flüchtlinge würdevoll zu behandeln.

Und auch die künftige Achse der drei Unbarmherzigen - Berlin, Wien, Rom - ist längst noch nicht tragfähig. Seehofer erwartet nach eigenen Worten »schwierige Gespräche«. Das ist auch kein Wunder. Bis auf den Wall, zu dem man die EU-Außengrenzen machen will, sind die Interessen halt unterschiedlich. Das gilt auch für Seehofers Plan, Menschen umgehend an der Grenze zurückzuschicken, die in einem anderen Land bereits einen Asylantrag gestellt haben. Bilaterale Abkommen, so hat es die Große Koalition in Berlin beschlossen, seien die Voraussetzung für Seehofers Absichten. Also: Nationale Alleingänge auf Kosten Dritter sollen ausgeschlossen sein. Matteo Salvini hingegen hatte vor einem ersten Treffen am Mittwoch bereits klargemacht, dass Italien keinen einzigen Flüchtling zurücknehmen werde, so lange Europa nicht seine Außengrenzen schütze - was in diesem Fall am treffendsten mit »dichtmachen« übersetzt ist. Seehofer, Salvini und Kickl vereinbarten zunächst ein Arbeitstreffen der Fachleute ihrer Ministerien am 19. Juli in Wien. Seehofer äußerte die vorsichtige Erwartung, dass bis Anfang August klar sein dürfte, ob es zu bilateralen Vereinbarungen kommt.

Derweil sorgt der Innenminister in Deutschland für neuen Unmut, und eingeschlossen sind Rücktrittsforderungen, die ihm eine Frist selbst bis August nicht mehr einräumen wollen. Grund ist der Selbstmord eines afghanischen Flüchtlings nach seiner Abschiebung aus Deutschland. Der 23-Jährige war einer der in der letzten Woche nach Kabul transportierten 69 Flüchtlinge. Über diese hatte Seehofer am Dienstag bei der Vorstellung seines »Masterplans« zur Migration im Plauderton gespöttelt, dass sie ausgerechnet an seinem 69. Geburtstag abgeschoben worden waren. Das habe er gar nicht so »bestellt«, meinte Seehofer über die Abschiebung, die er offenbar als eine Art Geburtstagsgeschenk bewertete.

Inzwischen äußerte der Minister sein Bedauern zum Tod des 23-Jährigen; zugleich äußerte er Unverständnis über die Rücktrittsforderungen, die von Grünen und LINKER im Bundestag erhoben wurden. »Da sag' ich gar nix dazu, weil ich sie einfach nicht verstehe«, wurde Seehofer von Agenturen aus Innsbruck zitiert. Die AfD verteidigte Seehofer.

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