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Nicaraguas Politsystem erodiert
Martin Ling über richtige Einsichten und Realitätsverlust bei Daniel Ortega
Es ist nicht alles falsch, was Nicaraguas Präsident Daniel Ortega am 39. Jahrestag der sandinistischen Revolution von sich gegeben hat. Doch von Einsicht in die reale Lage in seinem Land zeugen seine Aussagen dennoch nicht.
»Satanische Kriminelle«, katholische Bischöfe und die USA sieht Ortega als Drahtzieher hinter den seit April andauernden massiven Protesten gegen ihn, seine Frau, Vizepräsidentin Rosario Murillo, und ihre Regentschaft. Dass die USA mit ihren Agenten die Lage sondieren, eigene Interessen zu wahren suchen, wie sie es zumal im »eigenen Hinterhof« seit Zeiten der Monroe-Doktrin immer getan haben, ist eine Binsenweisheit, die Ortega mit der nicaraguanischen Opposition teilt. Die sandinistische Dissidentin Mónica Baltodano hat dieser Tage ausdrücklich nochmals vor dem US-Imperialismus gewarnt.
Ortega geht aber fehl, wenn er die anhaltenden Proteste als fremdgesteuert interpretiert. Dass es Kräfte über die USA hinaus gibt, die diese Proteste für sich zu instrumentalisieren versuchen, ist wahrscheinlich. Doch der Antrieb für den Aufstand von Studenten, Händlern bis hin zu Campesinos ist der Zorn über das klientelistische Modell der Ortegas. Er brach aus, als die Kosten der Rentenreform den Rentnern übergeholfen wurden. Seit seiner Rückkehr an die Regierung 2006 hat Ortega de facto neoliberale Politik mit Sozialkosmetik gemacht. Seit für Letzteres die Mittel knapp werden, erodiert sein System.
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