- Wissen
- Wasser in Spanien
»Alle ungenutzten Dämme müssen weg«
Der Madrider Ökologe Diego García de Jalón über die Wiederherstellung von Flussökosystemen in Spanien
Sollten Dämme auch in Spanien abgerissen werden?
Ja, es gibt zu viele Dämme, die oft nicht gebraucht werden. Wir haben allein 1200 große Staudämme in Spanien, die bisweilen nur noch zum Teil genutzt werden. Zeichnen wir sie in die Flusslandschaft ein, sehen wir, wie segmentiert und aufgesplittert unsere Flüsse sind. Der Tajo besteht auf 50 Prozent seiner gesamten Länge aus Stauseen. Den Fluss als Flusssystem gibt es kaum noch.
Was bedeutet das?
Treibholz und Sedimente bleiben an Dämmen hängen. Unterhalb davon fehlen sie dann. Ein Fluss verfügt eigentlich über verschiedenste Lebensräume und über eine sehr hohe Biodiversität. Durch Regulierung nimmt er die Eigenschaften eines Kanals an, Lebensbedingungen vereinheitlichen sich. Hier sind praktisch alle Flüsse reguliert und verhalten sich ähnlich. Das führt zu einer armen Fauna und Flora, die man überall vorfindet. Seltene Arten, die spezifische Lebensräume brauchen, verschwinden.
Welche Bedeutung haben die verschiedenen Nutzungsarten?
Dämme wurden hier meist zur Bewässerung in der Landwirtschaft gebaut. Wasser wird gespeichert, wenn es im Winter regnet und im Sommer abgegeben. Viele Spezies verschwinden, die Mehrheit leidet, auch wenn andere davon profitieren.
Welche Umwelteinflüsse haben Dämme zur Stromerzeugung?
Noch stärkere. Da die Regulierung nach Strombedarf erfolgt, kommt es zu sehr abrupten Veränderungen. Viele Arten sind zwar an schnelle Anstiege angepasst, aber nicht an einen schnellen Abbruch der Wassermenge. Sie bleiben auf dem Trockenen. Staudämme, die gleichzeitig zur Bewässerung und Stromerzeugung ausgelegt wurden, sind noch schlimmer.
Wie wirken sich kleine Dämme aus?
Dämme werden besonders zum Problem, wenn es viele davon gibt. Die Beeinträchtigung durch zwei Dämme in einen Fluss ist nicht doppelt so hoch, sondern deutlich höher. Unsere Flüsse wurden mit vielen Barrieren gezähmt, haben ihre Wildheit und Dynamik verloren.
Gefährdet ein Abriss von Dämmen die Wasserversorgung und die Produktion von nachhaltigem Strom?
Die Wasserversorgung für den Bedarf der Bevölkerung muss gedeckt werden. Dafür braucht es Dämme. Wasser ist ein Menschenrecht. Etwas anderes sind Geschäfte, die damit gemacht werden. So wird beispielsweise Reis angebaut, da er mehr Gewinn bringt. Der benötigt viel Wasser. In einem Trockengebiet um Albacete wird Mais mit starker Bewässerung angebaut, was weiter im Norden unnötig wäre. Es kann nicht sein, dass wir dafür Flüsse und Ökosysteme zerstören.
Alle Dämme für Wasserkraftwerke, deren Lizenz ausgelaufen ist, müssten weg. Der Windkraft müsste Vorrang gegeben werden. Die Speicherung überschüssiger Windproduktion kann in Wasserkraft geschehen, aber über Pumpspeicherkraftwerke und nicht mit Dämmen im Flusssystem und den negativen Folgen.
Wo liegt das zentrale Problem?
Wasser wird hier nicht bezahlt, sondern nur die Kosten für den Bau der Dämme, Kanäle und Leitungen. Niemand will den realen Preis bezahlen. Umleitungen wie vom Tajo in den Segura fielen weg, würden die realen Kosten anfallen. Es am Mittelmeer zu entsalzen, kostet weniger als einen Euro pro Kubikmeter. Der Preis für Wasser, das nach Murcia oder Almeria umgeleitet wird, kann auf zwölf Euro pro Kubikmeter beziffert werden. Das müssen die zentralen Profiteure aber nicht zahlen.
Wie kann man einen Ausgleich zwischen Versorgung der Bevölkerung und Umweltschutz erreichen?
Alle ungenutzten Dämme müssten beseitigt werden. Der Wasserbedarf ist wegen der Bewässerung aufgebläht, die die Profiteure fast nichts kostet. Die Infrastruktur wurde über Steuergelder bezahlt, begünstigt werden nur wenige. Nach EU-Richtlinien ist das unlauterer Wettbewerb. Der Bedarf würde sofort sinken, wenn die Nutznießer für die realen Kosten aufkommen müssten. Vor allem ist der Verbrauch zur Bewässerung unglaublich. Darauf entfallen in Spanien etwa 80 Prozent.
Wie sieht es mit der Gesetzgebung in Spanien aus?
Es gibt ein Sprichwort: Jedes Gesetz hat sein Hintertürchen. Würde man die Gesetze anwenden, könnten alle Probleme beseitigt werden. Das geschieht nicht. Sogar die Ermittlung des ökologischen Zustands ist mangelhaft. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie sieht vier Elemente zur Prüfung vor. Eins davon ist der Fischbestand. Darauf wird nicht geprüft. Zu dessen Erhaltung müssten höhere Wasserstände garantiert werden. Deshalb werden Fische nicht zur Evaluierung herangezogen, da das Ergebnis zu schlecht ausfallen würde. Makroinvetrebraten (wirbellose Kleintiere - d. Red.) oder Periphyton (Algen) brauchen weniger Wasser, um ihr Habitat zu erhalten.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.