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G20: Datenschützer üben Kritik
Berliner Datenschutzbeauftragte beklagt Defizite bei Behördenumgang mit Journalisten
Die Berliner Datenschutzbeauftragte Maja Smoltczyk hat umfassende Defizite bei der Speicherung von Daten über Journalisten eingeräumt, denen während des G20-Gipfels in Hamburg im Juli 2017 ihre Akkreditierungen entzogen worden sind. Gegenüber dem Berliner Landeskriminalamt äußerte sie Kritik. Dies geht aus »nd« vorliegenden Briefen hervor, die kürzlich an betroffene Medienschaffende verschickt wurden. Die Behörde führt nach eigener Aussage seit September 2017 eine »übergeordnete Prüfung« zu den Datensammlungen, die mit den Akkreditierungen während des G20-Gipfels in Zusammenhang stehen. Die Untersuchung dauere noch an.
Einer der betroffenen Journalisten ist der Berliner Fotograf Po-Ming Cheung. In den Berliner Polizeidatenbanken, die das LKA zur Grundlage seiner Auskunft an das BKA nahm, waren in seinem Fall ein Verfahren wegen »Verstoßes gegen das Kunsturheberrechtsgesetz« sowie eines wegen »Beleidigung« gespeichert. Beide Verfahren wurden jedoch längst eingestellt. »Für uns stellt sich derzeit noch die Frage, warum angesichts der Geringfügigkeit der Delikte eine Aufbewahrung der Unterlagen zur vorbeugenden Bekämpfung von Straftaten erforderlich war«, heißt es von der Datenschutzbeauftragten. Man habe diesbezüglich noch »keine ausreichende Antwort« des LKA erhalten.
Generell geht die Behörde nach den »bislang vorliegenden Informationen« von »strukturellen Fehlern« des LKA Berlin aus. Laut der Datenschutzbeauftragten müsse eine »Erheblichkeitsprüfung« sowie eine »Negativprognose« durchgeführt werden, um eine Speicherung zu Verhinderung weiterer Gefahr zu rechtfertigen. Die »Erheblichkeitsprüfung« soll prüfen, ob die Datenspeicherung zur Verhinderung oder Verfolgung von Straftaten mit »länderübergreifender, internationaler oder erheblicher Bedeutung« notwendig ist. Die »Negativprognose«, ob von einer Person künftig Straftaten zu erwarten sind - unabhängig davon, ob es bisher eine Verurteilung von ihr gab.
»Im Nachhinein konnte nicht festgestellt werden, inwiefern genannte Prüfungen tatsächlich vorgenommen und auf welcher Grundlage die Prognoseentscheidungen getroffen wurden«, kritisiert die Datenschutzbeauftragte. Die Polizei habe gar mitgeteilt, dass eine Negativprognose »nicht schriftlich festgehalten, sondern erst nachträglich erstellt wurde.«
Das LKA Berlin habe in seinen Begründungen für die »Negativprognossen«, so die generelle Kritik der Datenschützer weiter, »überwiegend pauschal« darauf verwiesen, dass eine Wiederholungsgefahr bestehe, die eine Datenspeicherung rechtfertigt. Dies wurde auf das jeweilige Delikt oder die jeweilige politische Gesinnung des Betroffenen zurückgeführt. »Es finden sich nur wenige konkrete und einzelfallbezogene Begründungen«, heißt es in dem Brief. Da Cheung seit 2011 nicht mehr polizeilich in Erscheinung getreten war, würden die erwähnten Delikte für eine Übermittlung an das BKA nicht ausreichen.
Auch die nachträgliche Löschung der Datensätze des Fotografen wurde von den Datenschützern beanstandet. »Die Polizei hat das Verbot der Löschung der Daten, wenn Grund zur Annahme besteht, dass schutzwürdige Belange der betroffenen Person beeinträchtigt sein können, nicht ausreichend berücksichtigt.« Die Daten hätten im System gesperrt werden müssen, so dass sie nicht mehr bearbeitet werden können, aber für eine Überprüfung abrufbar sind. Nun könne man nicht mehr kontrollieren, ob die Verwaltungsakte mit den Originaldaten übereinstimmt. Im Oktober 2017 hatte das LKA Berlin dem Fotografen mitgeteilt, dass alle Datensätze gelöscht wurden. Die Datenschutzbehörde kündigt an, den »festgestellten Defiziten« weiter nachzugehen.
Po-Ming Cheung zeigt sich mit dem Brief der Datenschützer zufrieden. »Man hat mir Recht gegeben, dass sämtliche Daten zu Unrecht gespeichert worden sind«, sagt der Journalist gegenüber »nd«. Vorbei ist die Angelegenheit damit jedoch nicht. Auch beim Bundesamt für Verfassungsschutz hatte Cheung ein Auskunftsersuchen zu den gespeicherten Daten gestellt. Im April bekam er eine Antwort, wonach er dort als »Mitglied eines gewaltbefürwortenden Beobachtungsobjekts« gelistet ist. Die Begründung: Er habe zwischen 2006 und 2011 als »Szenefotograf« zwölf Veranstaltungen der linken Szene begleitet. Mit ver.di hat Cheung gegen diese Einschätzung Widerspruch eingelegt und weitere Informationen angefordert. Gegebenenfalls werde er auch klagen. »Mir geht es um eine Rehabilitierung«, sagt Cheung. »Ich werde hier in eine Schublade gesteckt, dabei mache ich nur meinen Job.«
Im Fall des Berliner Fotografen Florian Boillot antwortete die Datenschutzbehörde mit einem ähnlichen Schreiben. Auch hier wurde die Rechtmäßigkeit einer Datenspeicherung aufgrund eines eingestellten Verfahrens angezweifelt - und ebenfalls eine »Negativprognose« nachträglich erstellt. »Es wurde zugestanden, dass das LKA Fehler gemacht hat und ein systematisches Problem bei der Datenspeicherung existiert«, sagte Boillot zu »nd«.
Beide Journalisten hatte das Bundeskriminalamt neben 30 weiteren Medienschaffenden während des G20-Gipfels im vergangenen Juli wegen angeblicher »Sicherheitsbedenken« auf eine »schwarze Liste« setzen lassen. Beim Betreten des Tagungsortes sollte ihnen ihre bereits erteilte Akkreditierung wieder entzogen werden, Polizisten trugen offen einsehbare Listen mit den Namen. Neun Medienschaffende mussten ihre Akkreditierungen dann tatsächlich abgeben, der Rest erfuhr später von der Maßnahme. Auch zwei »nd«-Journalisten waren betroffen.
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