Virtuose des Abstrakten
Der deutsche Mathematiker Peter Scholze wurde mit der Fields-Medaille ausgezeichnet. Von Martin Koch
Für mathematische Höchstleistungen gibt es bekanntlich keinen Nobelpreis. Dafür gibt es alle vier Jahre die Fields-Medaille, die ein ähnlich hohes Prestige besitzt, auch wenn sie nur mit rund 10 000 Euro dotiert ist. Bereits 1936 wurde sie zum ersten Mal verliehen. Gleichwohl befand sich unter den Preisträgern bisher nur ein Deutscher: Gerd Faltings, der heute am Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn forscht und bei der Verleihung 32 Jahre alt war. Nun ist ein zweiter hinzugekommen. Er arbeitet am selben Institut wie Faltings und ist erst 30 Jahre alt: Peter Scholze. Zusammen mit drei anderen Mathematikern erhielt er am Mittwoch die Auszeichnung auf dem Internationalen Mathematiker-Kongress in Rio de Janeiro.
Geboren 1987 in Dresden, wuchs Scholze in Berlin auf. Er besuchte das schon zu DDR-Zeiten für mathematisch hochbegabte Schüler eingerichtete Heinrich-Hertz-Gymnasium in Friedrichshain und gewann bei Internationalen Mathematikolympiaden dreimal Gold und einmal Silber. Nach dem Abitur studierte er Mathematik an der Universität Bonn, wo er 2012 promoviert und kurz darauf - im Alter von 24 Jahren - zum jüngsten ordentlichen Professor Deutschlands berufen wurde. Von 2011 bis 2016 sammelte er überdies internationale Erfahrungen und war Fellow am Clay Mathematics Institute in Cambridge (Massachusetts).
Womit Scholze sich als Mathematiker beschäftigt, ist für die meisten Menschen kaum verständlich zu erklären. Nur so viel sei gesagt: Sein vorrangiges Interesse gilt der arithmetischen Geometrie, die es erlaubt, Probleme aus der Zahlentheorie, also der Lehre von den Eigenschaften ganzer Zahlen, geometrisch zu beweisen. Dabei gewann er Einsichten, die selbst seinen Bonner Doktorvater Michael Rapoport in Erstaunen versetzten: »Scholze ist meines Erachtens gesegnet mit einem geradezu fantastischen Talent. Er kann innerhalb kürzester Zeit die Tiefe einer Fragestellung erfassen.« Eitelkeit und Arroganz seien ihm dagegen fremd. »Ich würde seine Persönlichkeit als fröhlich, locker beschreiben«, so Rapoport, der die seltene Größe besitzt, seinen ehemaligen Doktoranden heute als seinen Lehrer zu bezeichnen.
Deutsche Spitzenwissenschaftler zieht es erfahrungsgemäß häufig in die USA. Angebote von dort bekam auch Scholze, unter anderem von der Harvard University und dem Massachusetts Institute of Technology (MIT). Doch am Ende entschied er sich für das Max-Planck-Institut für Mathematik in Bonn, das ihn im Juli 2018 zu einem seiner Direktoren ernannte.
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