Italien mit Brockenblick
Bei den 23. Wernigeröder Schlossfestspielen lohnt Verdis »Rigoletto« den Aufstieg ins Schloss
Wernigerode ist ein architektonisches Harz-Schmuckstück, das obendrein von einem Märchenschloss mit Brockenblick gekrönt wird. Natürlich mit sommerlichen Schlossfestspielen. Für die zwei Dutzend Musiker des Philharmonischen Kammerorchesters Wernigerode und ihren künstlerischen Leiter Christian Fitzner ist das natürlich eine besondere Herausforderung, denn zu den Konzerten gibt es auch Oper. Damit die sommerlichen Openair-Anstrengungen oben im Schlosshof zum Publikumserfolg werden, braucht man nicht nur das passende Wetter, sondern auch die entsprechenden Besetzungen und Werke. Der aktuelle »Rigoletto« ist so etwas.
Der über eine Wendeltreppe zu erreichende Innenhof des Schlosses hat Konzertsaalgröße, eine akzeptable Akustik und ist als Kulisse und Teil jedes Bühnenbildes nicht zu überbieten. Die Geschichte vom fiesen Herzog, der mit »la donna e mobile« (dem »O wie so trügerisch sind Frauenherzen«) einen der bekanntesten Verdi-Hits überhaupt schmettern darf, wäre heutzutage das Paradebeispiel für einen Metoo-Fall. An dem moralisch ziemlich verlotterten Hof gibt es bereits jede Menge Opfer der Willkür des Herzogs und seiner Höflinge. Und der Narr Rigoletto macht feste mit, wenn eine Frau vor aller Augen (auch denen des Ehemanns) gedemütigt wird. Pech nur, dass seine eigene Tochter Gilda, die er aus guten Gründen vor diesem Hof fern- und versteckt hält, ins Visier gerät. Der Herzog hat sich als »armer« Student verkleidet an Gilda herangemacht und die Aufpasserin Giovanna (Christina Campsall) bestochen.
Und die Höflinge, die glauben, Rigoletto hielte eine geheime Geliebte versteckt, planen deren Entführung. Sie drehen es so, dass ihnen Rigoletto dabei sogar noch hilft, weil er glaubt, es sei die Frau eines anderen. Richard Hamrin tut sich als Marullo dabei besonders hervor. Der Irrtum Rigolettos ist schnell bemerkt, der Spott der Höflinge beißend. Der Narr gibt einen verhängnisvollen Mordauftrag an Sparafucile. Es kommt wie es kommen muss: Ermordet wird nicht, wie geplant, der Herzog, sondern die eigene Tochter über deren Leiche Rigoletto schließlich zusammenbricht.
Es gehört zu den geschickten Ideen von Regisseur Oliver Klöter, Gilda am Ende nicht im Sack singen zulassen. Der Vater hält als sterbende Tochter ein Double in den Armen während die wunderbar koloraturblitzende, mädchenhafte Weißrussin Katherina Melnikova erhobenen Hauptes in eine andere Welt entschwindet. Ausstatter Hannes Neumaier hat ich bei den Kostümen im Fundus an einem Mix aus dem 19. Jahrhundert orientiert und die Bühne mit drei separat beweglichen Rahmen - oder Bühnen-Portalen unterteilt. Für den Herzog den üppig goldenen, für Rigoletto und Maddalena zwei schnörkellose.
Weil das Orchester seitlich davon und überdacht postiert ist, ergibt sich eine Akustik, die Sänger und Orchester zusammen bestens zur Geltung bringen. Als Rigoletto führt Johannes Beck das Ensemble überzeugend an. Sein Narr ist nicht durch einen ausgestopften Buckel, sondern mit einer Krücke körperlich gezeichnet. Beck macht stimmlich und darstellerisch den zynischen Profispötter genauso wie den mitfühlenden Vater und das tief gedemütigte Opfer glaubhaft.
Neben der hinreißenden Gilda punktet am Ende natürlich besonders die Maddalena von Johanna Brault, die dem Herzog auf Augenhöhe als attraktive Verführerin begegnet. Natürlich braucht es gerade in dieser Verdi- Oper einen schmettersicheren Tenor. Victor Campus Leal hat für den Herzog von Mantova (zumindest im Rahmen der Schlossbühne) genau das richtige Format. Am Ende gab es viel Beifall für alle, der auch die von Nevena Živković exzellent einstudierte, durch Solisten aufgerüstete Singakademie Wernigerode für ihr Porträt der Hofgesellschaft einschloss.
Weitere Vorstellungen: 18./24./25. August
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.