Thailands dicke Mönche
Übergewichtigkeit und damit zusammenhängende Krankheiten nehmen in bedrohlichem Ausmaß zu
Wer morgens in Thailand oder anderen buddhistisch geprägten Ländern unterwegs ist, dem fallen sie unweigerlich auf: Die Männer in ihren je nach Nation und kultureller Prägung safranfarbenen bis weinroten Roben, wie sie gruppenweise durch die Straßen ziehen, um die milden Gaben der Gläubigen einzusammeln. Mönche sollen keinen irdischen Besitztümern hinterherjagen, folglich hat die Tradition auch dafür Sorge getragen, dass sie sich wiederum um ihre grundlegende Versorgung keine quälenden Gedanken machen müssen. Für gläubige Buddhisten ist es eine Ehre, eine religiöse Verpflichtung, die Mönche bei ihrem morgendlichen Rundgang mit Essensspenden zu beglücken. Im Gegenzug erhält der Gebende vom Empfänger einen Segensspruch, der vor allem für den beginnenden Tag Glück verheißen soll. Es ist ein Bild, das so auch in Myanmar, Kambodscha oder Sri Lanka zu finden ist. Doch nirgendwo sonst sind die negativen Nebenwirkungen mittlerweile so deutlich zu spüren wie in Thailand.
Studien unter dortigen Mönchen kamen zu dem Ergebnis, dass fast die Hälfte von ihnen übergewichtig ist und immer mehr mit Erkrankungen wie Diabetes zu kämpfen hat. Von einer »tickenden Zeitbombe« schreibt Gesundheitsforscherin Professor Jongjit Angkatanavich von der Chulalongkorn-Universität Bangkok in einem Zeitungsbeitrag. Nach ersten Alarmrufen vor zwei Jahren war die Diskussion um geeignete Gegenmaßnahmen im Mai neu hochgekocht. Es meldete sich auch das zuständige Ministerium zu Wort. Amporn Bejapolpitak, Vizedirektorin für öffentliche Gesundheit, rief die Bürger auf, bei Essensspenden an die Mönche sorgsamer zu sein, auf Süßes und fettreiche Gaben zu verzichten, dafür auf eine Mischung aus weißem und braunem Reis, Gemüse und fettreduziertem Fleisch zu setzen.
Damit spricht die Ministeriumsvertreterin das größte Problem an: Die Mönche haben keine andere Wahl, als das zu akzeptieren, was ihnen in ihre Sammelgefäße gepackt wird. In Thailand, wo Fettleibigkeit ein rapide fortschreitender Trend ist - ein Drittel der Männer und 40 Prozent der Frauen sind übergewichtig - landet sehr viel Ungesundes bei den Mönchen. Der Trend zu Junk Food äußert sich in dem, was den Mönchen für deren einzige richtige Mahlzeit am Tag überreicht wird. Langsam setzt ein Umdenken ein, achten einzelne Gläubige darauf, Dickmacher zu vermeiden.
Neben dem Kernproblem, das in der Art der Gaben liegt, ist es die oft mangelnde Bewegung der Mönche, die die Gewichtszunahme befördert. Bei der morgendlichen Runde sind sie zwar unterwegs, ansonsten beschränkt sich das Leben in den Tempeln und Klöstern aber vor allem auf viel Sitzen beim Studium der heiligen Schriften und ähnlichen Tätigkeiten. Amporn Bejapolpitak forderte deshalb auch die Mönche auf, sich mehr zu bewegen, sei es bei gewissen gymnastischen Übungen zwischendurch oder beim Tempelputz.
Den Mönchen ist nach dem Mittagsmahl Nahrungsaufnahme untersagt. Viele überbrücken den Rest des Tages mit religiös erlaubten, vom Gesundheitsaspekt her aber höchst fragwürdigen zuckerhaltigen Getränken. Jeder zehnte Mönch in Thailand leidet an Diabetes, jeder Vierte unter durch falsche Ernährung ausgelöstem Bluthochdruck. Zumindest einige sind in der Lage, der Fülle an Dickmachern zu widerstehen. »Mönche sollen die richtige Menge an Nahrung konsumieren«, zitierte ein australischer Sender den 90-jährigen Phra Samusupan. Da vielen angesichts ihrer weit fallenden Roben nicht bewusst ist, wie sie stetig an Gewicht zulegen, bis sie dickbäuchigen Buddhafiguren immer ähnlicher werden, gibt es neuerdings Markierungen bei den Gürteln, die zeigen, wann ein gesunder Bauchumfang überschritten ist.
Das Problem trifft keine kleine Bevölkerungsgruppe: Thailand hat etwa 120 000 Mönche - es gehört für Männer dazu, irgendwann im Leben für ein paar Wochen oder Monate ins Kloster zu gehen. Doch jene, die nicht nach einem überschaubaren Zeitraum wieder in ihren Alltag zurückkehren (auch wenn der zuweilen ernährungstechnisch nicht sehr viel gesünder aussehen mag), müssen künftig stärker achtgeben, mahnen die Experten.
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