Nie gehört, nö

Pop aus Neuseeland

  • Michael Saager
  • Lesedauer: 2 Min.

Pop ist ja immer auch ein kleines Privatfest der Assoziationen, Projektionen, Zuschreibungen und nostalgischen Momente. Erinnerungen an ein Früher werden dabei vor allem von nachgewachsenen jungen Bands lebendig gehalten. »Mensch, klingt ja haargenau wie ...« Und schwupp, hat man als emphatischer Musikliebhaber mindestens fünf Platten aus den 60ern, 70ern, 80ern oder 90ern zur Hand, deren Ähnlichkeit mit etwas Glück tatsächlich mehr als eine fantasievolle Behauptung ist.

Erstaunlich ist daran eigentlich nichts, bis auf die Tatsache vielleicht, dass HipHop-, R & B- oder Techno-Künstler zwar auch ständig mit Altvorderen verglichen werden, um den Retro-Vorwurf jedoch unverschämt gut herumkommen. Das ist natürlich sehr ungerecht, weshalb wir das tolle neuseeländische Gitarrenpop-Quartett The Beths und deren fabelhaft charmantes Debütalbum »Future Me Hates Me« einfach aus Prinzip, sachlich also im Grunde völlig sinnlos, von jedem Retroverdacht freisprechen und kurzerhand so tun, als hätte es den grandiosen Jazz-Punk-Pop der genialen SST-Records-Bands Minutemen und All oder den psychedelischen Minimal-Pop neuseeländischer Gruppen wie The Clean und The Chills nicht gegeben - nie gehört, nö. Oder den Slacker-Rock von den Breeders, Pavement, Liz Phair oder zuletzt Courtney Barnett, an deren lässigen Gesang der von The-Beths-Songschreiberin Elizabeth Stokes überhaupt nicht erinnert, natürlich nicht. Sofern einem dazu nicht Blondies Debbie Harry keineswegs einfällt.

Kennen tun die vier aus Auckland sich schon ewig. Dass Stokes, die auch Gitarre spielt, Jonathan Pearce (Gitarre, Gesang), Benjamin Sinclair (Bass, Gesang) und Ivann Luketina Johnston (Drums, Gesang) inzwischen in einer Band spielen, freut nicht nur Stokes, deren rohe Songskizzen in freundschaftlicher Gemeinsamkeit im Studio zu temperamentvollen Indie-Kleinoden arrangiert werden.

Alle vier haben einen universitären Jazz-Abschluss. Dass sie was können, hört man, so quirlig spielt das Schlagzeug, so präzise perlen und dengeln die Gitarren. Die zehn von einer heiter-melancholischen Sonne beschienenen Pop-Punk-Songs eignen sich bestens zum Mitsingen ohne Schamgefühl. Das wundert einen freilich nicht, denn Neuseelands (Gitarren-)Underground war ja immer schon sehr gut in der Disziplin »Jeder Song ein Ohrwurm«.

Und bei der schönen Musik, die sie komponiert, sollte man Stokes natürlich unbedingt vertrauen, wenn sie im Interview Werbung für ihre derzeitigen neuseeländischen Lieblingsbands macht, von denen der Rezensent, nun ja, ungefähr eineinhalb kennt: Kip McGrath, Ha The Unclear, Rackets, Sea Views, Wax Channels, Street Chant, The Naenae Express, Hans Pucket, Mable Syrup. Schnell hingeschrieben, bevor man sie wieder vergessen hat.

The Beths: »Future Me Hates Me« (Carpark / Indigo)

Die CD der Woche. Weitere Texte unter dasND.de/plattenbau

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