- Politik
- Verfassungsschutz
LINKE beantragt Entlassung von Maaßen
Auch SPD-Spitze fordert Merkel zum Handeln auf / Juso-Chef Kühnert droht mit Ausstieg der SPD aus der Regierung
Berlin. Die SPD-Spitze fordert nach den parlamentarischen Anhörungen vom Mittwochabbend den Abgang des umstrittenen Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV), Hans-Georg Maaßen. «Für die SPD-Parteiführung ist völlig klar, dass Maaßen gehen muss», erklärte Generalsekretär Lars Klingbeil am Donnerstag in Berlin. «Merkel muss jetzt handeln», rief er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zum Durchgreifen auf.
In der SPD wird angezweifelt, ob er noch der richtige Mann an der Spitze des Inlandsgeheimdienstes sei, gerade in Zeiten, wo es enorme Herausforderungen für die Demokratie und einen erstarkenden Rechtsextremismus gibt. Zudem wächst in der Partei der Druck, klare Kante gegenüber dem Koalitionspartner Union zu zeigen. SPD-Vize Ralf Stegner schrieb bei Twitter: Der Ball liegt jetzt im Feld der Kanzlerin und des CSU-Vorsitzenden. Herr Maaßen ist in seinem Amt nicht mehr tragbar und muss gehen!«
LINKE beantragt Entlassung
Gelegenheit zu zeigen, ob es die SPD ernst meint, dürfte sich schon sehr bald ergeben. Die Linksfraktion im Bundestag legte am Donnerstag einen Antrag vor, in dem Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) dazu aufgefordert wird, Maaßen zu entlassen.
In dem Antrag heißt es, »bereits die jüngsten unhaltbaren Äußerungen von Herrn Maaßen zu den verheerenden Vorgängen in Chemnitz und der rassistischen Mobilisierung« seien schon Anlass für seine Entlassung beziehungsweise Versetzung in den einstweiligen Ruhestand. Doch dieser Fall allein sei nur die Spitze des Eisbergs »von Verfehlungen und Pannen«. Aus Sicht der LINKEN seine eine umgehende Entlassung von Maaßen im Interesse des »Staatswohls unausweichlich«.
Seehofer will Maaßen nicht entlassen
Noch am Mittwochabend hatte es danach ausgesehen, als hätte Maaßen sich knapp noch retten können. Gegen starke Bedenken des Koalitionspartners SPD erklärte Bundesinnenminister Horst Seehofer, an Maaßen festhalten zu wollen. »Ich habe mich entschieden, dass ich für personelle Konsequenzen keinen Anlass sehe«, sagte der CSU-Chef am Mittwochabend nach einer Sitzung des Innenausschusses des Bundestags, vor dem sich der Verfassungsschutzpräsident für seine teils heftig kritisierten Äußerungen zu verantworten hatte.
Maaßen habe sein Bedauern zum Ausdruck gebracht, dass manches in der Öffentlichkeit anders aufgefasst und diskutiert worden sei als von ihm beabsichtigt, sagte Seehofer. Das begrüße er. Zudem habe sich Maaßen klar gegen Rechtsextremismus positioniert.
Unter anderem Juso-Chef Kevin Kühnert reagierte mit Unverständnis. »Sollte der Verfassungsschutzpräsident im Amt bleiben, kann die SPD nicht einfach so in der Regierung weiterarbeiten«, sagte er dem Magazin »Der Spiegel«. Die Kanzlerin müsse nun einen Weg finden, Maaßen zu entlassen, »oder wir müssen unsere eigenen Konsequenzen ziehen«, sagte Kühnert. »Das ist auch eine Frage der Selbstachtung: Wenn wir es Maaßen und der CSU durchgehen ließen, Verschwörungstheorien zu verbreiten, würden wir die dramatische Diskursverschiebung nach rechts legitimieren.«
Vertreter der SPD-Bundestagsfraktion, wie ihr innenpolitischer Sprecher Burkhard Lischka, vertraten den Standpunkt, dass dies »nicht der letzte Akt« in der Causa Maaßen sei. Lischkas Parteikollegin Eva Högl sagte, die SPD habe starke Zweifel, ob Maaßen der richtige Mann für diesen verantwortungsvollen Posten sei. Es sei viel Vertrauen verloren gegangen. Sie hätte sich von Maaßen mehr Selbstkritik gewünscht, sagte Högl. Kritik an Seehofers Entscheidung kam auch von Grünen und LINKEN im Bundestag.
Maaßen hatte der »Bild«-Zeitung gesagt, ihm lägen »keine belastbaren Informationen« darüber vor, dass in Chemnitz Hetzjagden stattgefunden hätten. Zu einem Video, das Jagdszenen auf ausländische Menschen zeigen soll, sagte Maaßen in dem Interview: »Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierende Video zu diesem angeblichen Vorfall authentisch ist.« Es sprächen »gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken«.
Öffentlich äußerte sich Maaßen am Mittwoch nicht. Nach Angaben von Teilnehmern der Innenausschusssitzung gab er zu verstehen, dass er sich falsch verstanden fühle, die eine oder andere Wendung »heute anders formulieren« und »vielleicht auch weglassen« würde. An seiner Kritik an den Medien habe er jedoch festgehalten. Man solle »Hetzjagden nicht herbeischreiben«.
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) warf Maaßen vor, mit seiner pauschalen Medienkritik das »feindselige Klima gegen Journalisten in Deutschland« zu verstärken. Eine solche Medienkritik lenke davon ab, dass Journalisten, die über Proteste rechter Gruppen berichteten, ohnehin regelmäßig Angriffen und Anfeindungen durch Demonstranten ausgesetzt seien, sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr dem »Handelsblatt« (Donnerstag).
Die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic sagt, Maaßen sei nach den Vorgängen in seinem Amt nicht mehr tragbar. Der FDP-Innenexperte Konstantin Kuhle warf Maaßen vor, er habe sich angesichts der Debatte über die Vorgänge in Chemnitz entschieden. »Öl ins Feuer zu gießen«. Seehofer müsse nun entscheiden, ob der Chef des Inlandsgeheimdienstes im Amt bleiben könne. Die LINKEN-Abgeordnete Martina Renner sagte, Maaßen verfolge eine eigene, politisch rechte Agenda.
Zwischen Seehofer und Maaßen auf der einen und Oppositionspolitikern auf der anderen Seite gingen die Darstellungen der Ausschusssitzung insgesamt weit auseinander. Seehofer erklärte, Maaßens Darstellung sei klar auch gegen Rechtsextremismus gewesen. Renner berichtete dagegen mit Verweis auf Maaßens Erklärungen im Ausschuss, er habe den größten Teil seiner Redezeit für Kritik an Medien genutzt. Die Darstellung der Ereignisse von Chemnitz in Medien im Ausland, aber auch Videosequenzen in der ARD-»Tagesschau« hätten Maaßen dazu bewegt, sich in dieser Form zu äußern, berichtete Renner.
Allein die AfD fühlt sich von Maaßen in ihrer Meinung bestärkt, dass es in Chemnitz keine »Menschenjagd« auf Migranten gegeben habe. »Was es gab, war eine mediale Hetzjagd auf sächsische Migranten«, sagte der AfD-Innenpolitiker Gottfried Curio.
In Chemnitz war am 26. August ein 35 Jahre alter Deutscher erstochen worden. Tatverdächtig sind drei Asylbewerber aus Syrien und dem Irak. Zwei sitzen in Untersuchungshaft, nach dem dritten wird gefahndet. Nach der Tat gab es rassistische Ausschreitungen, bei denen es auch zu Gewalttaten Neonazis kam.
Aus einem internen Lagefilm der Polizei geht laut dem ZDF-Magazin »Frontal 21« hervor, dass es am Rande der Proteste in Chemnitz am 27. August mehrfach Versuche rechtsgerichteter Gewalttäter gab, linke Demonstranten oder Ausländer zu attackieren. Um 21.42 Uhr heißt es in dem Bericht: »100 vermummte Personen (rechts) suchen Ausländer.« Agenturen/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.