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Falsche Träume

Avantgarde-Hip-Hop: Das Debütalbum »Time Mirage« von Knife Knights

  • Michael Saager
  • Lesedauer: 2 Min.

Verschleppte Grooves und vertrackte Stolperbeats sind meist eine feine Sache. Es ist ja nicht ganz einfach, ein Stück seltsam vor sich hin wackeln zu lassen und dabei doch seinen trockenen Funk, seine Sexyness zu bewahren. Knife Knights aus Seattle lieben und können so was; und sie übertreiben es auf ihrem Debütalbum »Time Mirage« auch nicht: Die Orientierung verliert man in den von Post-Dubstep, Trap und Avantgarde-Hip-Hop der späten 90er beeinflussten HipHop- und Neo-Soul-Abstraktionen »Bionic Chords«, »My Dreams Never Sleep« oder »Low Key« nicht. Man verlor sie auch bei den Tracks von Shabazz Palaces nicht, obwohl die Platten dieses mit Knife Knights eng verwandten Hip-Hop-Projekts soundtechnisch noch ein bisschen experimenteller sind, so außerweltlich raschelt, tropft, dröhnt, zerrt und tropft es bei Shabazz Palaces.

Knife Knights sind das jüngste Projekt des umtriebigen Hip-Hop-Musikers, Produzenten und Rappers Ishmael Butler. Bekannt wurde Butler in den späten 80ern als Kopf der Alternative-Hip-Hop-Gruppe Digable Planets, seit 2009 betreibt er gemeinsam mit Tendai Maraire Shabazz Palaces. Nebenbei arbeitet er als A & R-Manager bei Sub Pop Records - die Öffnung des früheren Grunge-Labels für avancierten Hip-Hop geht nicht zuletzt auf seine Kappe. Weder das feministische Polit-Hip-Hop-Album »EarthEE« von THEESatisfaction noch »Watercolour«, das Debüt des klugen Alltagsmelancholikers Porter Ray, wären ohne Butlers Vorarbeit bei Sub Pop gelandet.

Reicht natürlich nicht, weshalb Butler mit dem (Film-)Musiker und Produzenten Erik Blood nun als Knife Knights weitere unwirkliche Soundwelten entwirft. Faserige »spooky« Welten sind das, voller Verzögerungen und Verzerrungen, mal komplex und dicht arrangiert, dann wieder minimalistisch-spröde. Zu hören sind synthetische Noise-Sequenzen, windschiefe Gitarrenpassagen, hier und dort auch lustig pfeifende, zirpernde und blubbernde Geräuschkleinigkeiten. Obligatorischer Hall verfremdet die schönen Soul-Melodien und öffnet den moderat verfremdeten Gesang bzw. die Raps von Butler, Porter Ray und Marquetta Miller Richtung (Shoegaze-)Psychedelik.

Die Lyrics werden mit überzeugendem Flow vorgetragen, gleichwohl hauen sie einen nicht unbedingt vom Hocker: Man klopft sich kollegial auf die Schultern, schaut sehnsüchtig auf vergangene Lieben oder in den weiten Himmel, denkt an die Gefallenen des Alltags.

Textlich am bemerkenswertesten ist sicher das metallische Throbbing-Gristle-Gedächtnis-Stück »Mr. President«, Butlers ironisch-sardonische Ode an die Macht, in der Freunde kontrolliert, Mädchen besessen, eigenes Geld gedruckt, die Welt regiert wird. »I’ll have my name written across the sky in chrome«, rappt er. Süße Männerträume in einer falschen Welt.

Knife Knights: »Time Mirage« (Sub Pop/Cargo)

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