Ein geschenktes Herz in den Händen halten

Am Staatstheater Cottbus wird »Alice im Wunderland« getanzt

  • Volkmar Draeger
  • Lesedauer: 3 Min.

Fast jeder kennt die Abenteuer von Alice und ihren sonderbaren Begegnungen im Wunderland. Auch das Ballett hat die 1865 erstmals veröffentlichte Geschichte von Lewis Carroll immer wieder für den Tanz entdeckt.

Am Staatstheater Cottbus führt Torsten Händler, der bereits mehrfach Gast des Ensembles war, seine Version der berühmen Geschichte auf.: Ein Ballett über 75 pausenfreie Minuten, das sich zwar an die Story hält, aber Details fantasievoll variiert.

Der Tanz beginnt auf der Vorbühne. Dort räumt die gealterte Alice, eine hinzuerfundene Figur, die Spielsachen der Kindheit fort. Das erinnert sie an vergangene Erlebnisse. Die junge Alice besteht dann einige der Abenteuer, die Buchautor Lewis Carroll einst erdacht hat und die durchaus persiflierend in der versnobten englischen Gesellschaft der viktorianischen Ära wurzeln.

Durch den Bau des weißen Kaninchens (die hier eine Kiste ist) purzelt Alice in eine absurde Welt. Die dicken Zwillinge tanzen für sie, per Seil krabbelt die rauchende Raupe die Wand herunter und versprüht Dampf, die Grinsekatze attackiert das Mädchen mit einem großen Scheinwerfer. Dann wird es romantisch, denn unter den Buben mit den Spielkartenmotiven auf dem Shirt ist auch der Herzbube, den Alice sich zum Liebesduett auserwählt. Fein hat Torsten Händler dieses erste Aufwallen der Gefühle modelliert; am Schluss schenkt ihr der Junge, ein wunderbarer Einfall, ein Teil seines Herzens. Auch der etwas verdrehte, kopfstehende Hutmacher ist dabei, als ein Steg vorfährt, auf dem zu Mambo-Rhythmus die grausame Herzkönigin ihren Auftritt hat. Und die, hier als eine grellrot gewandete Drag Queen, will bekanntlich alle köpfen lassen.

Es ertönte die stimmakrobatische Yma Sumac, wenn Goldflitter rieselt und sich die Crew der Queen wie im Puppentheater Flamingoköpfe auf die Hand stülpt. So ganz ernst nimmt der Choreograf die Situation erst wieder, als Alice mutig wird, einen zitternden Igel befreit, mit ihrem Freund, dem Herzbuben, einen innigen Pas de deux tanzt. So ermuntert, stößt Alice die Queen vom Thron und schließt sie mitsamt ihrer Entourage in das Fabulierreich ein, aus dem sie gekommen sind. Draußen, im »richtigen« Leben, verabschieden sich nochmals die Gestalten der Fantasie, ehe Alice hinter ihr alter Alter Ego tritt. Das geschenkte Herz birgt sie fest in den Händen.

Ein poetischer Ausklang einer skurrilen Inszenierung, die viel klassischen Tanz und frei ergänzendes Bewegungsmaterial für die Charaktere einsetzt und daher tatsächlich eher Erwachsene erreichen mag. Für Kinder hätte es mehr spektakuläre Einfälle und Verwandlungen gebraucht.

Leonie Mohrs und Hannes Hartmanns Ausstattung operiert mit markanten Kostümen, formt erkennbare Typen, etwa bei den Tieren. Steffan Claußners Musikcollage vom Band mischt Eigenkompositionen mit Beiträgen von Terry Riley über René Aubry bis zu Jefferson Airplane mit süffisanten Revueeinlagen. Nicht nur die zarte Venira Welijan als Alice, der smarte Stefan Kulhawec als verliebter Herzbube, der aparte Jhonatan Arias Gomez als artistisch versiertes Kaninchen haben ihren Spaß an den fantastischen Verwicklungen.

Nächste Vorstellungen: 4.10., 13.10., 28.10.

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