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- Umweltschutz in England
Haftstrafen für friedlichen Protest
Drei Klimaaktivisten wurden im nordwestenglischen Preston zu Haftstrafen verurteilt
In Großbritannien ist Fracking alles andere als populär. Nur 16 Prozent der Bevölkerung befürworten laut Umfragen die Schiefergasförderung. In Wales und Schottland ist sie nicht erlaubt. Anders sieht es in England aus. Hier hat die konservative britische Regierung das Durchgriffsrecht. Als 2015 eine große Mehrheit der Mitglieder des Regionalparlaments der Grafschaft Lancashire gegen den Aufbau von Fracking-Anlagen votierte, wurden sie vom Umweltministerium überstimmt, das die Baugenehmigung für den Förderturm erteilte.
Seitdem wird entlang der Preston New Road in der Nähe von Blackpool regelmäßig demonstriert und blockiert. Die Polizei ging über die Jahre mit zunehmender Härte gegen die Klimaaktivisten vor. Über 300 von ihnen wurden im Laufe der Zeit festgenommen. Erst Mitte September brachen Polizisten einer Aktivistin den Arm, die sich vor einem Lastwagen angekettet hatte.
Nun, am 26. September wurden drei Klimaaktivisten von einem Richter im nordwestenglischen Preston zu Haftstrafen von 16 beziehungsweise 15 Monaten verurteilt. Simon Blevins, Richard Roberts und Richard Loizou hatten sich in den letzten Jahren an Protesten gegen den Aufbau von Förderanlagen für Schiefergas in der Nähe der Küstenstadt Blackpool beteiligt. Die Prozedur ist unter dem Begriff Fracking bekannt und in Deutschland verboten.
Die Blockade von Lastwagen war und ist eine zentrale Protestform der Fracking-Gegner. Mit ihnen werden die Bestandteile der Förderanlage auf das Gelände transportiert. Am 25. Juli 2017 kletterten Blevins, Roberts und Loizou auf die Dächer solcher Lastwagen. Dort blieben sie bis zum 29. Juli. Während dieser Zeit ging auf der Straße nichts mehr. Anrainer versorgten die drei Demonstranten mit Nahrung und Getränken.
Es dürfte gerade die Effektivität dieses Protests gewesen sein, die zur Härte des Urteilsspruches führte. Die britische Tageszeitung »The Guardian« zitierte den urteilssprechenden Richter Robert Althan am 26. September mit den Worten: »Alle drei Angeklagten bleiben absolut von der Richtigkeit ihres Handelns überzeugt. Selbst während des Gerichtsverfahrens machten sie deutlich, dass ihr Handeln gerechtfertigt sei. Bedenkt man die erhebliche dadurch erzeugte Störung, erscheint nur eine sofortige Haftstrafe als ausreichend.«
Während Richter Althan drinnen sein Urteil sprach, demonstrierten vor dem Gericht 100 Unterstützer. Inzwischen haben 1000 Akademiker sowohl von britischen als auch ausländischen Universitäten einen offenen Protestbrief gegen das Urteil verfasst. Am 4. Oktober äußerte sich auch John McDonnell, der wirtschaftspolitische Sprecher der Labour-Partei, im Rahmen einer Kundgebung gegen den Bau einer dritten Startbahn am Flughafen London-Heathrow zum Urteil. Dieses sei völlig ungerechtfertigt. McDonnell rief die britische Regierung auf, zu intervenieren und die Aktivisten sofort freizulassen.
In seiner Härte ist das Urteil in der jüngeren Geschichte Großbritanniens tatsächlich einmalig. Generell werden friedliche direkte Aktionen auf der Insel höchstens als Ordnungswidrigkeit geahndet. Die letzten Haftstrafen für eine solche Grenzüberschreitung gab es im Jahr 1932, als Aktivisten der Kommunistischen Partei Massenwanderungen auf dem Gelände nordenglischer Großgrundbesitzer organisierten. Durch diese Aktion wurde »das Recht zu Wandern« erkämpft, welches bis heute gilt.
Auf diese Geschichte gingen die Verurteilten in einem nach dem Richterspruch veröffentlichten Video ein. Gesellschaftliche Fortschritte wie das Wahlrecht oder Arbeitnehmerrechte seien immer durch Proteste erwirkt worden. Im Hinblick auf die Dürre des vergangenen Sommers sagte Richard Loizou: »Wir werden gewinnen, weil dies der letzte Versuch ist, um den verbleibenden Rest fossiler Brennstoffe aus der Erde zu holen. Diese Industrie hängt einem veralteten Paradigma an.« Dieses sei am Ende, auch weil die Menschen realisieren würden, dass der Klimawandel bereits Realität sei.
Für den 6. Oktober mobilisierten Klimaaktivisten zu einer Solidaritätskundgebung vor dem Gefängnisgebäude in Preston. Mittags sollte dort Lärm gemacht werden. Zu dieser Zeit haben die Gefangenen in dem Gefängnis Freigang im Hof.
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