Widersprüchliche Signale aus Riad

CNN: Saudi-Arabien könnte bereit sein, gewaltsamen Tod von Khashoggi zuzugeben

  • Oliver Eberhardt, Erbil
  • Lesedauer: 3 Min.

Insgesamt neun Stunden lang durchsuchten Ermittler der türkischen Polizei am Montag das Generalkonsulat Saudi-Arabiens in Istanbul, während draußen einige Demonstranten und viele Journalisten warteten, auf Aufklärung hofften. Was geschah mit Jamal Khashoggi?

Diese Frage war dennoch auch am Dienstag noch genauso offen, wie sie es am 2. Oktober war, jenem Tag, an dem der ehemalige Berater des einstigen saudischen Geheimdienstchefs Turki bin Faisal und spätere Kolumnist und Regimekritiker das Konsulat betrat, um Papiere für seine Hochzeit abzuholen. Die türkische Polizei wirft den saudischen Behörden vor, Khashoggi im Konsulat ermordet zu haben; Saudi-Arabien bestritt dies bisher, Khashoggi habe das Konsulat wieder verlassen. Doch Belege für die eine oder die andere Version gibt es nicht, auch wenn die türkischen Behörden und ausnahmslos alle Medien immer wieder davon sprechen, die Beweise seien eindeutig: Man habe eine Aufzeichnung der Ermordung; außerdem habe, berichteten türkische Zeitungen, die Apple-Uhr Khashoggis Schreie aufgezeichnet. Aber auch wenn türkische Ermittler und Regierungsmitarbeiter derzeit viel und ausführlich mit den Medien sprechen: Die angesprochenen Beweise will man nicht veröffentlichen; was Fakt ist, was Fiktion, lässt sich deshalb derzeit nicht mit der notwendigen Gewissheit sagen.

Bei der Durchsuchung des Konsulats seien »mögliche Spuren giftiger Substanzen« gefunden worden, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Dienstag; sie seien überstrichen worden. Und der US-Sender CNN berichtete unter Berufung auf zwei anonyme Quellen, die saudi-arabische Regierung bereite derzeit eine Stellungnahme vor: Khashoggi sei bei einem Verhör getötet worden; der Einsatz sei ungenehmigt gewesen. Das Königreich wolle dabei besonders hervorheben, so CNN weiter, dass der gegen Khashoggi gerichtete Einsatz ohne Erlaubnis von oben abgelaufen sei - und dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen würden. Auf der anderen Seite warfen saudi-arabische Medien unterdessen den Regierungen Katars und der Türkei vor, die Affäre inszeniert zu haben, um Saudi-Arabien damit international zu isolieren.

Doch tatsächlich sind die Auswirkungen für Saudi-Arabien bislang gering: Mehrere europäische Außenminister, darunter auch Bundesaußenminister Heiko Maas, forderten rasche Aufklärung. Die UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet verlangte die Aufhebung der Immunität saudischer Diplomaten. Und US-Präsident Donald Trump drohte mit »harten Maßnahmen«, wovon er allerdings ziemlich schnell wieder abließ: Nach einem Telefonat mit dem saudischen König Salman sagte er Journalisten im Weißen Haus, »vielleicht« steckten »schurkenhafte Killer« hinter dem Verschwinden Khashoggis: Wer weiß? Der saudische König habe ein »sehr, sehr starkes« Dementi geliefert. Kurz darauf wurde Außenminister Mike Pompeo zu Gesprächen nach Riad entsandt.

Schon zuvor hatte Trump zudem die auch von einigen republikanischen Politikern geäußerte Forderung nach einer Einschränkung amerikanischer Waffenlieferungen zurückgewiesen: Dies sei keine Strafmaßnahme, weil die Waffen in den USA hergestellt werden, » damit würden wir uns selbst bestrafen«, so Trump. Saudi-Arabien ist der weltweit größte Abnehmer für amerikanische Rüstungsgüter. Während seiner ersten Auslandsreise als Präsident hatte Trump in Saudi-Arabien Zusagen für Waffendeals im Wert von mehr als 100 Milliarden Dollar erhalten. Gleichzeitig steht das Königreich im Kongress schon seit Monaten wegen seiner Kriegsführung in Jemen in der Kritik. Das Verschwinden Khashoggis, der als Kolumnist unter anderem für die »Washington Post« arbeitet, hat diese Kritik weiter verstärkt.

Gleichzeitig sind die wirtschaftlichen und strategischen Verbindungen der Trump-Regierung zu Saudi-Arabien umfangreich: Die Iran-Strategie Trumps baut auch auf der Rolle Saudi-Arabiens als Verbündeter auf; würde Trump nun Rüstungsexporte stoppen, hätte dies zudem wahrscheinlich auch den Verlust von Aufträgen für US-Rüstungsschmieden zur Folge.

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