Freundschaft, Schicksal, Liebe, Erfolg, Ruhm, Vergebung, Tod

Im Kino: Der Film »Bohemian Rhapsody« erzählt die Geschichte der Bombast-Rockgruppe Queen

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit gerecktem Arm und geballter Faust, den Kopf in den Nacken gelegt, gleichermaßen streng und stolz auf etwas Imaginäres irgendwo in der Ferne blickend, gen Himmel deutend, die Faust immerzu in die Luft stoßend, in einer Pose, als wäre er eine Statue, breitbeinig, als wolle er Größenwahn, Erhabenheit und Virilität gleichzeitig ausdrücken, so steht der Mann da.

Klar, er ist eine Diva. Und was für eine. Seine vorstehenden Schneidezähne hin oder her, er kann ganz ausgezeichnet singen, wobei er seine voluminöse Stimme bei Bedarf sowohl wie die eines Operettensängers als auch wie die eines Testosteronrockers klingen lassen kann.

Er trägt bevorzugt exzentrische Kleidungsstücke, einen Pelzmantel zu Lackstiefeletten, eine hautenge rote Lederhose zum nackten Oberkörper und zur verspiegelten Mackerbrille oder auch mal einen goldfarbenen, paillettenbesetzten Overall, der sich wurstpellenartig um seinen Körper legt. Er, der eigentlich Farrokh Bulsara heißt, hat sich den Künstlernamen Freddie Mercury gegeben, weil sich dieser Name in Großbritannien nicht nach eingewanderter Gastarbeiterfamilie anhört.

Freddie ist der charismatische, pfauenhaft daherkommende Sänger der britischen Rockgruppe Queen, die zur goldenen Zeit der Musikindustrie, in den 1970er Jahren, überaus erfolgreich war und der wir etwa den schwer totzukriegenden, bis heute auf jedem Volksfest von betrunkenen Männergruppen angestimmten Song »We are the Champions« zu verdanken haben, diesen ewigen »Stadionrock-Bolzen, der seltsamerweise bis zum heutigen Tag noch von keiner einzigen Nazi-Rock-Band gecovert wurde« (Reinhard Jellen).

Der Film »Bohemian Rhapsody« ist ein extrem wohlwollendes Biopic über die Band Queen, ihren Aufstieg, ihre Karriere, ihr Ende, über die künstlerische Laufbahn einer Studentenband also, einer Handvoll langhaariger Typen von der Sorte braver Schwiegersohn, die zunächst in Kellerclubs ihren »crazy stuff« spielen und die dann, ein Jahrzehnt später, so etwas sind wie die letzten großen Helden des Rock-Olymp, bevor dessen Bewohner schließlich ausgemustert werden und dauerhaft ins Rock-Altersheim übersiedeln müssen.

Wie andere Biopics ist auch dieses kurzweilig und unternimmt den Versuch, die Geschichte der Rockgruppe Queen - wenn auch wie üblich in beschönigender Weise, das heißt nachträglich großzügig romantisiert - als ein großes Drama zu erzählen, also nicht ohne jenes Pathos, das die Band zur Zeit ihrer Existenz selbst immer wieder zelebrierte, versteht sich: Leidenschaft, Freundschaft, Stolz, Schicksal, Liebe, Erfolg, Ruhm, Betrug, Entzweiung, Scheitern, Reue, Vergebung, Wiederkehr, Tod.

Man hat sich redlich Mühe gegeben bei der korrekten Abbildung der seinerzeit vorherrschenden Herrenfrisurenmoden und einen ansprechenden Kostümfilm gemacht, und auch die aufeinanderfolgenden Entwicklungsstufen in der Bandgeschichte (Pompös-Rock, Bombast-Rock, Stadionrock, Disco-Rock, Operetten-Rock) werden angemessen wiedergegeben.

Kleine Scherzchen für den Fan gibt es auch: Die Fanfarenklänge etwa, die zu Anfang zu hören sind, wenn das Logo der Produktionsfirma Twentieth Century Fox gezeigt wird, sind nicht die üblichen. Hier werden sie einmal ausnahmsweise von Brian Mays für nahezu jedermann sofort wiedererkennbarer, quengelig-schnörkelig-barocker Queen-Gitarre interpretiert. Eine Art kleine Verbeugung vor Queens glamourös-aufgeblasenem Breitwandrockstil und eine Spielerei nur, gewiss, und doch ist dieser Auftakt typisch für diesen Film, der erkennbar mehr Lobpreisung und Würdigung sein will, mehr Heldengeschichte und Märchen als Bandporträt oder gar Demontage. Erzählt wird eine keimfreie Geschichte in glatten, polierten Bildern, aus denen alles, was nur im Ansatz düster, bedrohlich oder exzessiv sein könnte, sorgsam entfernt wurde. Worüber man sich nicht mehr wundert, wenn man erfährt, dass die beiden Ex-Queen-Mitglieder Brian May und Roger Taylor die Co-Produzenten dieses Werks sind.

Das macht diesen überraschungsfreien, entsexualisierten Film über weite Strecken erschreckend konventionell in seiner Machart: Queen im Kellerclub, Queen auf der Bühne, Queen in schrillen Klamotten, Queen im Studio, Queen auf ihrer ersten großen US-Tournee, Queen im Büro des Managers eines großen Musikkonzerns, Queen auf dem großen Live-Aid-Konzert von 1985. Freddie und seine verstockten, braven, kleinbürgerlichen Eltern, Freddie und seine liebe Freundin, Freddie als exaltierter, aber liebenswerter Künstler, Freddie als Partyfreund, Freddie als Diva (von Katzen umgeben und mit Marlene-Dietrich-Porträt an der Wand seiner Wohnung), Freddie und die Männer, Freddie und seine uneingestandene Einsamkeit, Freddie und sein letzter großer Auftritt. »Queen«, sagt die Figur Freddie Mercury an einer Stelle des Films, »ist, was immer ich daraus mache«.

Wenn der Schlagzeuger mal Ansprüche stellt und etwas zu meckern hat, teilt Mercury ihm stante pede mit, dass es in dieser Band »nur Platz genug für eine Drama-Queen« gibt, und wenn Mercury zur spät zur Bandprobe kommt, gibt er den anderen Bandmitgliedern, die nach seiner Pfeife zu tanzen haben, zu verstehen, er sei schließlich »kein Schweizer Eisenbahnschaffner«.

Der Schauspieler Rami Malek verkörpert den exaltierten Sänger so präzisionsversessen, dass man als Zuschauer nach einer Weile beinahe vergisst, dass da ja gar nicht der echte Freddie Mercury posiert. Denn Malek hat sich jede Fingergeste, jedes Hüftenwackeln, jeden hochmütigen Blick des von ihm Dargestellten so perfekt antrainiert, dass man einen auf wundersame Art verjüngten und wiederauferstandenen Mercury auf der Kinoleinwand zu sehen meint.

»Bohemian Rhapsody«, USA 2018. Regie: Bryan Singer; Darsteller: Rami Malek, Gwilym Lee, Lucy Boynton, Mike Myers. 135 Min.

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