Der Schwung der rosa Welle

Bei den Zwischenwahlen in den USA treten so viele Frauen an wie nie zuvor.

  • Simone Schmollack
  • Lesedauer: 3 Min.

Cynthia Nixon wollte es wissen. Die amerikanische Schauspielerin, die vielen vermutlich eher als Anwältin Miranda Hobbes in der langjährigen TV-Serie »Sex and the City« bekannt ist, kandidierte im September für die Demokraten als Gouverneurin im Bundesstaat New York, im Vorfeld der Kongresswahlen am 6. November. Obwohl Nixon gegen Amtsinhaber Andrew Cuomo verlor, kann ihre Personalie als Zeichen einer neuen weiblichen Ära bei den sogenannten Midterms gelesen werden. Noch nie in der Geschichte der US-Wahlen wurden so viele Frauen ins Rennen um Spitzenämter geschickt. Allein 3260 Frauen treten auf kommunaler Ebene an - vor zwei Jahren waren es gut 2650.

Für das Repräsentantenhaus nominieren die Demokraten 183 Kandidatinnen, die Republikaner 52. Für Gouverneursposten sind 16 Frauen aufgestellt, darunter in Georgia Stacey Abrams, die die erste Schwarze in einem solchen Amt werden könnte (siehe nebenstehenden Text). Mit Christine Hallquist geht zum ersten Mal eine Transgender-Frau ins Rennen. Im eher progressiv aufgestellten Bundesstaat Vermont zu gewinnen, erscheint Beobachter*innen nicht unmöglich zu sein. Alexandria Ocasio-Cortez, eine 29-jährige Latina aus der Arbeiterschicht, ist die große demokratische Hoffnung in New York. Sie fordert eine Krankenversicherung für alle, die Abschaffung der Studiengebühren und eine staatliche Beschäftigungsgarantie. Ihre Chancen, in Kürze jüngste Abgeordnete im Kongress zu sein, sind relativ gut.

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In den USA ist mittlerweile von einer »pink wave«, einer rosa Welle die Rede: Frauen drängen in die Politik, sie scheuen sich nicht, auch dann ins Rennen zu gehen, wenn ihre Chancen nicht allzu rosig sind.

Der Frauenaufbruch begann mit dem Frauenmarsch am 21. Januar 2017, ein Tag nach der Amtseinführung von US-Präsident Donald Trump. Millionen Frauen und Männer demonstrierten an diesem Samstag weltweit für Frauenrechte und gegen einen Mann, der schon im Wahlkampf mit flacher Rhetorik, Misogynie, Rassismus und Feindseligkeit gegen Schwächere auffiel. Kameras fingen Bilder ein, in denen die Farbe rosa dominierte: ein Meer pinkfarbener Strickmützen, den »pussy hats«, ein ironisches Zitat der »Waffen der Frau«.

Zu jener Zeit war längst klar, dass Trump progressive Akteur*innen, die auf Vielfalt und Chancengleichheit setzen, bekämpfen wird. Schließlich war bereits im Wahlkampf ein Video aufgetaucht, das Trumps Frauenverachtung vorgeführt hatte: In ihm prahlte er 2005, damals noch Immobilienmogul, gegenüber anderen Männern damit, dass er Frauen einfach zwischen die Beine greift, wenn er das will: »Grab them by the pussy, you can do anything.« Der weltweite Aufschrei konnte Trump jedoch nicht erschüttern.

Mitte 2017 setzte dann allerdings eine deutliche Wählerinnenwanderung ein, weg von den Republikaner hin zu den Demokraten. Dem Washingtoner Pew-Meinungsforschungsinstitut zufolge, das nach dem im vorigen Jahrhundert lebenden Ölmagnaten Joseph Newton Pew benannt ist, bescheinigen heute etwa 63 Prozent der Frauen in den USA dem Präsidenten nicht nur eine schlechte Politik, sondern auch einen miserablen Stil. Der weibliche Zuspruch zu den Republikanern sinkt beständig. Das verleitete im Sommer Steve Bannon, Trumps einstiger Chefstratege, zu der Äußerung: »Die republikanischen Frauen mit College-Abschluss haben sich erledigt. Die sind weg. Sie wären an einem Punkt ohnehin weg gewesen. Trump triggert sie.« Das ist sicher ein Grund, warum die Republikaner jetzt Männer so massiv umwerben.

Die »rosa Welle« darf indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass Trump für viele Frauen nach wie vor wählbar ist, vor allem für weiße, zum großen Teil nichtakademische Frauen. Selbst im linken Spektrum gibt es Zuspruch für Trump, unabhängig von all seinen Skandalen und seiner Frauenverachtung, seinen Lügen und seiner intellektuellen Schlichtheit. Wie weit Kandidatinnen wie Ocasio-Cortez und Abrams, sollten sie tatsächlich gewinnen, das ändern können, bleibt abzuwarten.

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