Sympathisanten kurdischer Kämpfer im Visier

In München wurde erneut ein linker Aktivist wegen des Zeigens von Symbolen zu einer Geldstrafe verurteilt

  • Svenja Huck, München
  • Lesedauer: 3 Min.

Wer in Deutschland Symbole der kurdischen Volks- und Frauenverteidigungseinheiten in Nordsyrien, YPG und YPJ, öffentlich zeigt, muss zumindest in Bayern immer noch mit Strafverfolgung rechnen. Im Freistaat läuft derzeit eine ganze Serie entsprechender Prozesse. Dort wird sogar das Verbreiten von Bildern der dreieckigen Wimpel in Onlinenetzwerken mit Geldbußen belegt. Für Aufsehen sorgte diesbezüglich das Vorgehen der Justiz gegen den Münchener Sozialwissenschaftler Kerem Schamberger.

Am Dienstag kassierte ein weiterer linker Aktivist eine Geldstrafe. Weil er während der Proteste gegen die Münchener Sicherheitskonferenz im Februar eine YPJ-Fahne getragen hatte, wurde Anselm Schindler vor dem Münchener Amtsgericht zu 110 Tagessätzen à 40 Euro verurteilt.

Der Journalist bestritt in seinem Abschlussstatement im Gerichtssaal nicht, die Fahne gezeigt zu haben. Zugleich machte er die Absurdität der Strafverfolgung von Menschen deutlich, die ihre Solidarität mit den kurdischen Einheiten zeigen. Denn diese, so Schindler, hätten im Norden Syriens erfolgreich »gegen die Barbarei des von Saudi-Arabien, der Türkei und anderen pro-westlichen Kräften geförderten Dschihadismus« gekämpft, wobei sie von »anderen demokratischen Kräften« unterstützt worden seien. Den YPG und YPJ sei es zu verdanken, »dass der sogenannte Islamische Staat inzwischen in den meisten Teilen Syriens zurückgedrängt werden konnte«.

Kerem Schamberger, der die Verhandlung beobachtet hatte, sagte dem »nd«, der Richter habe sogar eine höhere Geldstrafe verhängt als von der Staatsanwaltschaft gefordert. Diese hatte auf 120 Tagessätze à 15 Euro plädiert.

Schamberger berichtet selbst regelmäßig kritisch über die Verfolgung von Kurden und Linken in der Türkei. Im November 2017 wurde seine Wohnung durchsucht, im Oktober wurde gegen Anklage erhoben. Ihm werden unter anderem Facebook-Einträge mit Symbolen der YPG und YPJ bzw. der Partei der Demokratischen Union in Nordsyrien sowie das Zeigen von Fahnen der syrisch-kurdischen Milizen auf Demonstrationen vorgeworfen. »Es besorgt mich zu wissen, dass man wegen Zeigens einer YPJ-Fahne 4400 Euro zahlen muss und vorbestraft ist«, sagte er im Gespräch mit dem »nd«. »In meinen Fällen geht es nicht um ein, sondern ein Dutzend mal.« Das Amtsgericht will seiner Ansicht nach mit dem Urteil vom Dienstag ein Exempel statuieren. Die Justiz greife dabei bestimmte Aktivisten heraus.

In einem ähnlichen Verfahren wird am Donnerstag auch gegen den Münchener Schauspieler und Regisseur Ludo Vici verhandeln. Ihm wird vorgeworfen, einen von Schambergers Facebook-Beiträgen mit YPJ-Symbol geteilt zu haben. In seinem Fall hat die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe im vierstelligen Bereich gefordert. Anselm Schindler sieht politische Gründe für das besonders harte Vorgehen der bayerischen Justiz. Der Freistaat sei »ein wichtiger Industriestandort, und hiesige Firmen arbeiten eng mit der Türkei zusammen«, so Schindler gegenüber »nd«. So habe der Rüstungskonzern KraussMaffei Group seinen Sitz in München. Er liefere Panzer an die Türkei.

Das Amtsgericht Aachen erklärte im Dezember 2017 die Darstellung der YPG-Fahne in sozialen Netzwerken nicht für strafbar. In Bayern wird jedoch weiterhin ein Erlass des Bundesinnenministeriums von 2017 zur Begründung für die Verfahren herangezogen. Darin wurden YPG und YPJ als der in der Bundesrepublik verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK nahestehende Organisationen bezeichnet.

Schindler hat angekündigt, Berufung einzulegen. »Außer mir sind mehrere Dutzend Personen betroffen. Soweit ich weiß, will niemand die Urteile akzeptieren.« Er verwies darauf, dass in Berlin oder Hamburg, wo YPG/YPJ-Fahnen »permanent und massenhaft« gezeigt worden seien, hätten die Behörden die Strafverfolgung weitgehend aufgegeben hätten - einfach, weil sie »logistisch fast nicht mehr möglich« sei.

- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.