- Politik
- Kampf um CDU-Vorsitz
Merz provoziert von rechts
CDU-Kandidat relativiert Vorschlag zur Abschaffung des Asylrechts mit weiterer unwahrer Behauptung
Nachdem Friedrich Merz mit einem Vorschlag zur Abschaffung des Asylgrundrechts einen Sturm der Entrüstung entfacht hat, bemüht sich der frühere Fraktionschef der Union und heutige Kandidat für den CDU-Vorsitz um Relativierung. Er stelle das Grundrecht auf Asyl »selbstverständlich nicht infrage, weil wir Politik aus christlicher Verantwortung und vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte machen«, teilte Merz am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin mit. »Für mich steht aber fest, dass wir die Themen Einwanderung, Migration und Asyl nur in einem europäischen Kontext lösen können.« Er kenne »kaum jemanden, der das ernsthaft bezweifelt«.
Auf der dritten Regionalkonferenz zur Vorstellung der Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz hatte Merz am Mittwochabend im thüringischen Seebach gesagt, Deutschland sei das einzige Land der Welt, das ein Individualrecht auf Asyl in der Verfassung stehen habe. Er sei seit Langem der Meinung, dass offen darüber geredet werden müsse, ob dieses Asylgrundrecht »in dieser Form fortbestehen« könne, wenn eine europäische Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik ernsthaft gewollt sei. »Wir müssen irgendwann einmal eine große öffentliche Debatte darüber führen, ob man einen gesetzlichen Vorbehalt ins Grundgesetz schreibt.«
Am Donnerstag fand sich indes kaum jemand, der bereit war, Merz zu folgen. Außer von der AfD fand Merz keinen nennenswerten Zuspruch. Im Gegenteil. Das Echo fiel so einhellig ablehnend aus, wie Merz es durchaus erwarten durfte und wie er es in seiner Strategie offenbar eingeplant hat. Die AfD immerhin versprach Merz, ihn bei der Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl im Bundestag zu unterstützen.
Die starke Ablehnung dürfte sich auch damit erklären, dass eine Abschaffung des Asylrechts gegen internationales Recht verstieße und damit faktisch unmöglich ist. Erst recht Merz’ Berufung auf die übergeordnete EU wirkt daher bizarr. Allerdings dürfte diese im Wissen um Bemühungen in der EU erfolgt sein, das geltende Dublinsystem tatsächlich durch verschärfte Regelungen zu ersetzen.
Selbst seinen rhetorischen Teilrückzug relativierte der Kandidat am Donnerstag überdies, indem er behauptete, angesichts einer Anerkennungsquote bei den Asylanträgen »von deutlich unter zehn Prozent« müsse man sich mit der »Frage beschäftigen, wie das Grundrecht auf Asyl und ein europäischer Lösungsansatz gemeinsam wirken können«. Eine erneute Lüge, denn die Anerkennungsquote lag 2017 laut BAMF bei 43,4 Prozent. Bereinigt um offene Fälle, etwa wegen fehlender Zuständigkeit Abgewiesene, lag sie gar bei 53 Prozent. Asyl wegen politischer Verfolgung allerdings wird tatsächlich für unter zehn Prozent erteilt. Die Debatte müsse »in aller Ruhe und Sachlichkeit« geführt werden, riet Merz.
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