- Politik
- Volksabstimmung in der Schweiz
Rechte »Selbstbestimmungsinitiative« scheitert
Schweizer stimmen gegen nationalen Alleingang und Vorrang von nationalem Recht vor internationalen Verpflichtungen / Volksabstimmung zur Überwachung vermeintlicher Sozialversicherungsbetrüger angenommen
Bern. Die Schweizer haben den Vorstoß der rechten SVP für nationale Alleingänge bei internationalen Verträgen abgeschmettert. Bei einer Volksabstimmung scheiterte am Sonntag die sogenannte »Selbstbestimmungsinitiative«, die Schweizer Recht über internationale Verträge stellen wollte. Nach dem vorläufigem Endergebnis waren 66,2 Prozent der Abstimmenden dagegen.
Konkret richtete sich die Initiative zum Beispiel gegen Urteile des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Die Regierung hatte gewarnt, dass die Schweiz damit kein verlässlicher Partner internationaler Zusammenarbeit mehr sei. Der Wirtschaftsverband Economiesuisse sah 400 wirtschaftsrelevante Abkommen gefährdet.
Die SVP, seit Jahren wählerstärkste Partei, versucht immer wieder, eine internationale Vernetzung der Schweiz zu verhindern. Sie war mit populistischen Vorstößen gegen »Fremdbestimmung« schon lange vor den heute in anderen Ländern populären Bewegungen aktiv.
So war sie treibende Kraft hinter der Ablehnung 1992 eines Beitritts zum Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) und warb 2002 auch - vergeblich - für ein Nein zum UN-Beitritt. An Sonntag wollte sie den Vorrang der Schweizer Verfassung vor allen internationalen Vereinbarungen festlegen.
Die Verfassung kann aber immer geändert werden, auch durch Volksabstimmungen. Das war 2014 bei der erfolgreichen SVP-Initiative gegen »Masseneinwanderung« der Fall, die die Personenfreizügigkeit mit der EU in Frage stellte und die Beziehungen zu Brüssel schwer belastete. Sie wurde letztlich nicht voll umgesetzt. Die Schweiz hätte bei einer Annahme der rechten »Selbstbestimmungsinitiative« internationale Verträge künftig nur noch unter Vorbehalt schließen können. Ein breite Bündnis aus unterschiedlichen Gruppen und Parteien auch aus der Zivilgesellschaft hatte sich gegen die Initiative gestellt.
Die SVP stellte die Abstimmung zuletzt als Zeichen gegen den umstrittenen UN-Migrationspakt dar. Der Pakt führe »faktisch zu einer weltweiten Personenfreizügigkeit und zu einer Welt ohne Grenzen sowie der totalen Vermischung der Kulturen«, behauptete SVP-Chef Albert Rösti. Allerdings wäre der Pakt, der im Dezember in Marokko verabschiedet werden soll, rechtlich nicht bindend und von der Initiative gar nicht betroffen gewesen. Die Schweizer Regierung hat ohnehin beschlossen, sich dem Pakt vorerst nicht anzuschließen.
Bei einer zweiten Abstimmung gaben die Schweizer am Sonntag den Sozialversicherungen grünes Licht, Versicherte bei Verdacht auf Missbrauch durch Detektive überwachen zu lassen. Eine deutliche Mehrheit von 64,7 Prozent stimmte dafür. Schon vorher war die Überwachung durch Versicherer lange Praxis in der Schweiz gewesen, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hatte dies aber 2016 gerügt.
Die Regierung in Bern verabschiedete daher im März ein neues Gesetz, das die heimliche Überwachung von Versicherten ermöglicht, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen unrechtmäßigen Bezug von Leistungen vorliegen. Sie argumentiert, dass die Überwachung in bestimmten Fällen notwendig sei, um Betrug zu bekämpfen und die Versicherungskosten für alle möglichst gering zu halten.
Kritiker bemängelten hingegen, die neue Regelung sei auf Druck der Versicherungsbranche entstanden. Ungerechtfertigtes Eindringen in die Privatsphäre von Kunden werde darin nicht ausdrücklich untersagt. dpa/nd
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