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Yetis lachen nicht
Christine Hamill über Krankheit und Humor
Philip Wright ist so ungefähr der charmanteste, witzigste und fantasievollste Zwölfjährige, den man sich vorstellen kann. Ein wenig naseweis vielleicht, dieser kleine Mister »Richtig«, aber schließlich will er Comedian werden und im Fernsehen auftreten wie sein berühmtes Vorbild Harry Hill. Da darf man nicht zimperlich sein mit der Selbstinszenierung. Und ist nicht jeder Schultag von der ersten bis zur letzten Minute eine Fundgrube für komische Ereignisse?
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Christine Hamill: Die beste Medizin. Kinderroman.
A. d. Engl. v. Eva Jaeschke. Ill. Felicitas Horstschäfer. Tulipan Verlag, 192 S., geb., 13 €.
Es fängt bereits auf dem Schulweg an. Eddie Klain, »einer von diesen dicken, fetten Riesen-Fieslingen, dem die Haare so vor dem Gesicht hängen, dass man seine Augen nicht sieht«, überfällt Philip. Er würgt ihn von hinten mit seinen Wurstfingern. Philip ist überzeugt: Hier kann es sich nur um einen Yeti handeln. Und Yetis kann man nicht mit Witzen kommen. Sie mögen keine Witze, sie erwürgen lieber andere Leute und grunzen dabei.
Am besten, man grunzt zurück. »Urg, Ähgäd än, urrg Täch«, antwortet er folglich. Übersetzt aus dem Gewürgischen bedeutet dies, das Essengeld ist in der Tasche, nimm es. Der Yeti durchwühlt also den Rucksack seines Opfers, steckt das Geld ein und marschiert los.
Philip wird nicht nur hungrig bleiben, er kommt auch zu spät zum Kunstunterricht. »Du bist zu spät«, sagt die Lehrerin, Miss Frank. Ist euch schon mal aufgefallen, dass Lehrer Meister darin sind, immer das festzustellen, was sowieso klar ist?, denkt Philip.
Aber er wäre kein künftiger Fernsehstar, wenn er sich über so ein klitzekleines Unglück lange ärgern würde. Im Gegenteil, flüsternd berichtet er seinem Freund Ang, was ihm widerfahren ist. Aus dem Rucksack wird ein Ruckraub, ein Rabkack, ein Kackrack. Wie eklig, prusten die beiden Freunde los - und müssen natürlich nachsitzen. So sind die Regeln.
Autorin Christine Hamill hat in ihrem ersten Roman eigene Erfahrungen verarbeitet. Sie lebt mit ihrem Sohn in Belfast, lehrt dort kreatives Schreiben an einer Hochschule und hat bereits ein Sachbuch über Brustkrebs veröffentlicht. Diese Krankheit hat sie selbst überwinden müssen, und neuen Lebensmut gab ihr dabei unter anderem das Lachen über die Witze des englischen Comedian Harry Hill.
So kam sie auf die Idee zu diesem Buch, in dem eine ulkige Situation die nächste jagt, obgleich Philips Mutter an Brustkrebs erkrankt. Das ist ja bekanntlich alles andere als komisch. Philip lernt, Tee zu kochen, die Tassen abzuwaschen und das Gejammer über die ausgehenden Haare zu ertragen. Er vergleicht die Geräusche, die seine Ma macht, mit denen des Tyrannosaurus rex aus dem Film »Jurassic Park«. Sie klangen wie die Schreie eines sterbenden Dinosauriers, und Philip resümiert, seine Mutter könne jederzeit einen Job als Dinosaurier-Double annehmen. Doch dazu müsste sie erst einmal aus dem Haus gehen …
Wie Philip das schafft und am Ende eine lachende Mutter erlebt, wie der echte Harry Hill ihn besucht und sogar eine Freundschaft mit dem Yeti entsteht, das wissen die Leser nach zweimal hundert Seiten und mindestens genau so vielen Lachanfällen.
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