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»Das Leben noch einmal aufblühen machen«

Es begann in Leipzig-Eutritzsch: Was der Dichter Peter Gosse (nicht nur) seinem Enkel zu erzählen hat

  • Irmtraud Gutschke
  • Lesedauer: 3 Min.

»Pemmikan - seltsamer Titel, nicht wahr?« Getrocknetes Fleisch vom Bison mit Fett gemischt - wenn die Jungs in Leipzig-Eutritzsch Indianer spielten, mussten verkohlte Kartoffeln dafür herhalten. Und großartig war es doch!

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Peter Gosse: Pemmikan. Mein Leben, F. erzählt, meinem Enkel.
Mitteldeutscher Verlag, 143 S., geb., 16 €.

Ob die 88 Notizen dieses Buches solchem Pressfleisch ähnlich sind? Insofern, dass sie sich wie dieses wieder auflösen, verwandeln lassen zu Lesers Nahrung. Des Geistes in diesem Fall. Wozu es jemanden braucht, der willens, ja begierig ist. Worauf? Die fremde Erfahrung, die sich ja mit der eigenen verbinden kann. Sofern sie von einem Dichter aufgeschrieben wurde, wie Peter Gosse einer ist.

Er wendet sich an seinen Enkel - und an alle, denen er sich verständlich machen will. Ein poetisches Ich, ganz sich selber eigen und dabei hinauswachsend zu den vielen, die da im Osten aufwuchsen.

»Das Leben, es entfernt sich aus mir ..., doch ich will es, das über Maßen leuchtschöne, dies betörend einmalige in der splitterfaserkalten sich rasend weitenden Schwärze des Alls - ich will es mir, das Leben, noch einmal aufblühen machen. Ich will seiner, im notierenden Aufbäumen noch einmal habhaft werden ... ich will es einmal noch durchkosten, durchkosen soll es mich.« Wenn Schreiben so von einem Besitz ergreift - welch Genuss. Noch einmal die Hochzeitsfeier am Ammelshainer Steinbruch vor Augen haben, als vom klapprigen Tonbandgerät Bachs Konzert für zwei Violinen erklang und »rings um den Bruch-Saum« fünf Feuer aufflammten. »Übers Wasser treibt im Abenddämmer, Kerzen tragend, ein Holzfloß in Form unser beider Initialen ...«

Noch einmal sich die Erdentage zelebrieren: den Studenten-Fasching in Halle, wo Peter Gosse an der Arbeiter- und Bauern-Fakultät lernte. Danach hat er in Moskau am Institut für Energetik studiert. »Tauwetter«-Zeit dort: Jessenins Gedichte im Tschaikowski-Saal, Schatrows Schauspiel »Die Bolschewiki« im Theater »Sowremennik«. Das Publikum stand auf und sang die »Internationale«. Schäumende Utopien, die 1989 in Leipzig noch einmal erwachten, als sich im Zug der Hunderttausenden Entschlossenheit (für kurze Zeit) mit Duldung paarte, »großer Art«.

»Was bleibet aber, stiften die Dichter«, heißt es bei Hölderlin. Hier muss zuvörderst von der sächsischen Dichterschule die Rede sein: Mickel, Braun, Sarah und Rainer Kirsch, auch Biermann hat einst dazugehört. Und natürlich dürfen auch die großen Russen nicht fehlen, denen Peter Gosse verbunden war.

Gastprofessur 1988 am Grinell College in Iowa, Sommerpalast in Peking, Gespräch auf dem Markt im krigisischen Osch ... Erinnerungen, die im Moment überstrahlt werden vom »wollüstige(n) Aufgeschäumtsein« der in Blüte stehenden Apfelbäume in Leipzig, wo durch die Hainstraße einst Goethe, Casanova und Radischtschew flanierten. Und vom »ekstatische(n) Frohlocken«, wenn Mann und Weib zueinanderfinden. »Du und Reue, ha!«

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