Regelwerk für den Klimaschutz

Nach zähen Verhandlungen und Querschüssen gab es in Katowice doch eine Einigung

  • Christian Mihatsch, Katowice
  • Lesedauer: 4 Min.

Mit 17 Stunden Verspätung war es soweit: Am Samstagabend hämmerte der polnische Umweltstaatssekretär Michal Kurtyka, Präsident der UN-Klimakonferenz in Katowice, deren Ergebnis zu gültigem Völkerrecht. »Alle müssen etwas geben, um zu gewinnen«, sagte Kurtyka über das verabschiedete Regelwerk zum Pariser Klimaabkommen. »Vor fünf Jahren wäre es noch undenkbar gewesen, dass China, die USA und Indien sich den gleichen Regeln unterwerfen«, sagte auch Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan. »Dass wir nun ein Regelwerk haben, ist fundamental wichtig für das Klimaabkommen.«

Das »Katowicer Klimapaket« legt fest, wie die freiwilligen Klimaschutzpläne der Länder aussehen müssen, nach welchen Regeln sie über deren Erreichen berichten und wie die Weltgemeinschaft dies überprüfen kann. Dabei konnte zuletzt auch die Zweiteilung der Welt in Industrie- und Entwicklungsländer überwunden werden: Ab 2024 gelten die gleichen Regeln für alle Länder mit Ausnahme von Zwergstaaten wie Tuvalu und der 47 ärmsten Länder der Welt, denen die Ressourcen und Infrastruktur dafür fehlen. »Positiv überraschend« fanden Teilnehmer auch, dass das für die Kontrollen verantwortliche Gremium von sich aus tätig werden kann, was lange umstritten war.

Das Thema Klimafinanzierung entpuppte sich in Katowice als erstaunlich unstrittig: Die Industriestaaten sagten zu, über ihre Pläne bei den Hilfen für arme Länder zu berichten. Außerdem gab es eine Einigung über die Buchhaltungsregeln für diese. Und es wurde ein Prozess etabliert, in dem darüber nachgedacht werden soll, welche Mittel die Entwicklungsländer nach dem Jahr 2025 benötigen, um ihre Volkswirtschaften an den Zielen des Paris-Abkommens auszurichten. Damit wurde ein Paket geschnürt, in dem sich Vertreter von Hilfsorganisationen wie auch von Geberländern wiederfinden können. Letztere betonten, dass es nicht nur um öffentliche Gelder gehe, sondern auch um die Umleitung der globalen privaten Finanzströme zugunsten des Klimaschutzes.

Beim Handel mit Emissionszertifikaten waren Umweltorganisationen wie auch europäische Regierungen letztlich froh, zumindest ein schlechtes Resultat verhindert zu haben. So hatten sich praktisch alle Länder auf Regeln geeinigt, um die doppelte Anrechnung von Emissionsreduktionen zu verhindern, doch Brasilien stellte sich quer. Daraufhin versuchte sich Konferenzleiter Kurtyka an einem Kompromiss, angelehnt an den brasilianischen Vorschlag. »Das wäre ein Desaster gewesen«, sagte Alden Meyer von der Wissenschaftlerorganisation Union of Concerned Scientists. Nach stundenlangen Verhandlungen am Samstagnachmittag einigten sich die Länder dann auf eine Vertagung bis zur Klimakonferenz in einem Jahr in Chile. Dadurch ergeben sich Probleme für die Luftfahrtbranche: Diese will ihre Emissionen auf dem 2020er Niveau deckeln, indem Airlines zusätzliche Emissionen mit dem Kauf von Zertifikaten kompensieren sollen. Für dieses System werde es »kritisch«, so Dirk Forrister von der International Emissions Trading Association. »Ohne Einigung auf die Marktregeln wird die Vorbereitungszeit knapp.«

Beim 1,5-Grad-Ziel war das Bild gemischt. Bisher orientieren sich die nationalen Klimaschutzpläne am Ziel, die Erderwärmung auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Im Oktober hatte der Weltklimarat IPCC in einem Bericht nahegelegt, sich auf 1,5 Grad zu kaprizieren, um den Klimawandel einigermaßen beherrschbar zu machen. Über die offizielle Bewertung des IPCC-Berichts gab es indes Streit, da Länder wie die USA, Russland und Saudi-Arabien diesen nur »zur Kenntnis nehmen« wollten. Gebru Jember Endalew - der Chef der äthiopischen Delegation fungierte als Sprecher der Gruppe der ärmsten Länder - kritisierte: »Es ist mehr als enttäuschend, dass nicht alle Länder den IPCC-Bericht begrüßt haben. Wir können dessen Ergebnisse nicht ignorieren.« Umgekehrt lobte Harjeet Singh von der Hilfsorganisation Action Aid die Regeln zur globalen Bestandsaufnahme, mit denen nun auch erstmals die Verluste und Schäden durch den Klimawandel berücksichtigt werden. Dieser Mechanismus könnte dafür sorgen, dass sich die Staaten nach und nach schärfere Klimaziele geben müssen.

Zum Ende musste sich die Konferenz dann noch mit dem Wunsch der Türkei beschäftigen, als Entwicklungsland zu gelten, um Zugang zu Klimaschutzhilfen zu erhalten. Dieses Anliegen wurde abgewehrt. Neue Freunde hat sich die Regierung in Ankara damit nicht gemacht.

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