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Regierungsshutdown wegen Mauerbau?
Republikaner wollen in letzer Minute Geld für Grenzmauer in den Haushalt aufnehmen / Die US-Amerikaner sind den Regierungsstillstand wegen Haushaltsverhandlungen gewöhnt
Der Regierungs-»Shutdown« in den USA schien in letzter Minute abgewendet - mal wieder. So sah es jedenfalls bis Donnerstagabend aus. Im Streit um die Verabschiedung des Haushalts für 2019 hatten sich beide Kammern des US-Kongresses auf einen Entwurf einigen können – und hätten so die Lähmung wichtiger Teile des Regierungsapparats der Vereinigten Staaten abgewendet.
Doch am Donnerstagabend haben die Republikaner und US-Präsident Donald Trump ihre Meinung geändert. Nur wenn im Haushaltsplan auch Gelder für »die Mauer« enthalten seien, werde er diesen unterzeichnen, erklärte der US-Präsident. Der Mauerbau ist einer der Prestigeobjekte Donald Trumps. Die Republikaner brachten deswegen am Donnerstag einen neuen Haushaltsentwurf ein, der 5,7 Milliarden US-Dollar für den Mauerbau enthält.
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Der »große Arbeiterfreund Trump« mache sich nun in Richtung seines »exklusiven Golfklubs in Florida aus dem Staub« und verweigere 800.000 Regierungsangestellten als »Weihnachtsgeschenk« ihr aktuelles Gehalt, empörte sich US-Senator Bernie Sanders auf Twitter.
Doch der neue Haushaltsvorschlag der Republikaner wird im US-Senat vermutlich keine Mehrheit erhalten. Die Demokraten haben angekündigt, den Mauerbau nicht finanzieren zu wollen. Deswegen wird Trump Freitagnacht vermutlich zwischen einem Haushalt ohne Geld für die Mauer und dem »Shutdown« wählen müssen.
Derzeit können die Demokraten die Versuche des Präsidenten, das wichtige Wahlversprechen Mauerbau doch noch irgendwie voranzubringen, noch genüsslich beobachten. Doch schon bald müssen sie einen neuen Finanzierungsplan aushandeln, wenn sie im neuen Jahr die Mehrheit im Repräsentantenhaus stellen werden, die Republikaner aber weiterhin mehr Abgeordnete im Senat haben. Wegen dieser schwierigen Verhandlungssituation könnte es im Februar zu einem erneuten potentiellen Regierungsstillstand kommen.
Mitarbeiter würden dann in den Zwangsurlaub geschickt, Ämter und Behörden geschlossen. Nicht betroffen wären das Verteidigungs-, das Bildungs-, das Gesundheits- sowie das Arbeitsministerium, weil für diese Ressorts bereits im September ein längerfristiger Haushalt verabschiedet worden war. Generell ausgespart von einem solchen »Shutdown« sind auch wichtige Bereiche des Staatsapparats, die etwa für die Sicherheit im Land zuständig sind: zum Beispiel Polizei, Geheimdienste und Grenzschutz.
Doch die Amerikaner sind dies gewohnt. Seit 1976 haben sie 18 Regierungsschließungen erlebt. Bei den »Shutdowns« ging es schon immer um Parteipolitik. Die Republikaner kämpfen für weniger Ausgaben, die Demokraten wollen Kürzungen bei Sozialprogrammen verhindern. Während vor vierzig Jahren eher einzelne Ministerien von »Shutdowns« betroffen waren, sind diese in jüngster Vergangenheit länger und umfassender geworden. Eine Ironie der Geschichte dabei: Gerade unter der Partei des fiskalischen Konservatismus, die vermeintlich für den schlanken Staat kämpft, stieg die Staatsverschuldung - trotz der Blockadeversuche der Republikaner bei Haushaltsverhandlungen.
Zehn Tage lang blockierte der Republikaner und US-Präsident Ford 1976 die Arbeit des Ministeriums für Gesundheit, Bildung und Soziales sowie die des Arbeitsministeriums, weil diese seiner Meinung nach zu viel Geld für Umverteilungspolitik ausgeben würden. Immer wieder versuchten die Republikaner seitdem Haushaltsverhandlungen als Hebel zu nutzen, um Ausgaben für den aus ihrer Sicht zu großzügigen amerikanischen Sozialstaat abzubauen.
In den 80er Jahren senkte Ronald Reagan Steuern und erhöhte die Verteidigungsausgaben - laut der Finanzseite »The Balance« erhöhte das die Schulden der USA um 1,8 Billionen US-Dollar. Zum Jahreswechsel 1995-1996 war der Republikanerführer Newt Gingrich für den bis dahin mit 21 Blockade-Tagen und 800 000 betroffenen Regierungsmitarbeitern längsten und größten »Shutdown« verantwortlich. Der Demokrat Bill Clinton dagegen hinterließ 2001 einen Haushaltsüberschuss von 86 Milliarden US-Dollar. Während der Regentschaft seines Nachfolger George W. Bush kam es zwar nie zu einem »Shutdown«, trotzdem sorgte auch er für 5,8 Billionen US-Dollar neue Schulden.
Präsident Obama hinterließ ein Defizit von 8,6 Billionen US-Dollar, verantwortlich dafür war aber die Finanzkrise 2008. Das und die Einführung von Obamacare konnten die Republikaner mit einer einmonatigen Regierungsblockade im Oktober 2013 nicht verhindern. Die Senkung der Unternehmenssteuern durch Donald Trump wird zu einer weiteren Erhöhung der Staatsschulden um 1,2 Billionen US-Dollar führen, wenn es nicht zu einem wahren Wirtschaftsboom kommen wird. Den versprach Trump im vergangenen Jahr. Bis jetzt hat sich der aber trotz guter Wirtschaftslage und der niedrigsten Arbeitslosenrate seit 1969 noch nicht eingestellt.
Anfang Dezember hatte Trump bei Verhandlungen mit den Fraktionsvorsitzenden der Demokraten, Nancy Pelosi und Chuck Schumer, noch verkündet: »Wenn ich nicht bekomme, was ich will, werde ich für den Shutdown stimmen«. Er sei »stolz darauf« die Regierungsgeschäfte für eine Grenzmauer zum Stillstand zu bringen, so Trump.
Trotzdem könnte der US-Präsident dem am Mittwoch verabschiedeten Kompromiss trotz dem Rückzieher und »Bluff« vom Donnerstag noch zustimmen. Denn: Umfragen zeigen, wie unpopulär der Regierungsstillstand in der Bevölkerung ist, und das vor allem die Republikaner verantwortlich gemacht werden. Der scheidende Vorsitzende der vermeintlich fiskalisch konservativen Partei, Paul Ryan, räumte diese Woche das Scheitern der Blockadestrategie der Republikaner ein. Er habe die wichtigsten Politikziele seiner zwanzigjährigen Kongresskarriere - gleichzeitige Reduzierung von Sozialausgaben und Staatsschulden - nicht umsetzen können: »Meine Ambitionen wurden von der politischen Realität überholt.« mit dpa
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