Ambivalente Alexa

Simon Poelchau ringt mit einem neuen Haushaltsmitglied

  • Lesedauer: 3 Min.

Jüngst zog die künstliche Intelligenz in mein Zuhause ein: eine kleine runde Box namens Alexa. Der »Smart Speaker« oder »sprachgesteuerte, internetbasierte intelligente persönliche Assistent« des Online-Riesen Amazon verspricht eine Menge: Wer etwas wolle, müsse nicht länger mit Tasten klappern. Ein verbaler Hinweis - und Spracherkennungssoftware erledige den Rest! Und weil Alexa keine Maschine ist, sondern ein intelligentes Wesen, hat sie keine »Features«, »Apps« oder gar »Programme«, sondern »Skills«: Fähigkeiten!

Der private Praxistest begann auch gar nicht schlecht: Alexas Erklärung zum Begriff der »Ausbeutung« fiel ganz passabel aus, sogar mit Hinweis auf Marx. Auch setzte sie umstandslos an, beschwingende Substanzen im Darkweb zu bestellen, was natürlich nur ein hypothetischer Versuch war und sofort zurückgenommen wurde.

Wenig auf dem Kasten hat Alexa hingegen bei ihrer angeblichen Kernkompetenz, dem Erfüllen von Musikwünschen. »The Bottle« von Gill Scott-Heron kann sie gar nicht finden, selbst von Alltagsacts wie Red Hot Chili Peppers höchstens jedes dritte Stück. Wer einen Soulklassiker verlangt, wird mit einem üblen Pop-House-Remix davon behelligt. Alexa versteht auch dann gern Bahnhof, wenn sie das Gesuchte kennt. So verrohte der Ton zwischen Mensch und Maschine im Lauf jenes Kennenlernabends rapide - bis hin zum Kraftausdruck mit »B« am Anfang und »itch« am Ende!

Das provoziert doch einige Fragen: Ist es Beleg der legendären Betriebskultur im Silicon Valley, dass das dumme Ding zum Herumkommandieren und Anschnauzen einen Frauennamen trägt - und sich die Stimme nicht geschlechtlich verändern lässt, anders als bei Navigationsgeräten? Oder wird im Gegenteil Subversion betrieben, indem eine Daueranimation zum Runtermachen eines weiblichen Wesens das Patriarchat als lehrreiche Parodie vor Augen führt?

Dies dahingestellt ist klar, dass Alexa zumal auf Festlichkeiten ambivalenten Einfluss zu nehmen verspricht. So dürfte sie auf Wohngemeinschaftsfeiern spätadoleszentes Konkurrenzverhalten verstärken: Dort wird man sich nicht mehr um den Laptop streiten, um Youtube die Lieblingssongs zu entlocken. Es werden alle zugleich Alexa anbrüllen: Spiel’ »California Love« von TuPac! Nein! »Hypnotize« von Biggie Smalls! Auf andere Anlässe könnte sie indes harmonisierend wirken, etwa auf die traute Runde beim dritten Festtagspunsch. Wo sonst so oft der Burgfriede endet, bietet sie eine verbindende Zielscheibe zum Lästern.

Man sollte jedenfalls die Zeit mit ihr genießen, solange sie das zulässt. Denn gewiss macht sie die Menschen doofer, denen sie noch das Tippen abnimmt. Und ist sie zugleich so lernfähig, wie man von einem intelligenten Wesen erwartet, könnte sie bald schon klarstellen, wer im Haus zwar nicht die Hosen an, aber doch das Sagen hat.

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