Das letzte Stück lief ich mit dem Freund
Robby Clemens war 20 Monate zu Fuß vom Nordpol bis (fast) zum Südpol unterwegs
Robby Clemens ist Extremsportler, Überlebenskünstler und mein Freund. Seit Jahren verfolge ich seine Laufabenteuer. Das letzte große war seine Tour vom Nordpol bis (fast) zum Südpol - zu Fuß wohlgemerkt. Gut 23 0000 Kilometer hat er in den vergangenen knapp 20 Monaten zurückgelegt. Auf der letzten Etappe habe ich ihn begleitet und ein Versprechen eingelöst.
Im April 2017, nach seinem Nordpolmarathon, überbrückte Robby bei uns zu Hause die Zeit des Wartens auf das noch fehlende Visum für die USA. Damals versprach ich, ihn auf jeden Fall während seiner Tour vom Nordpol zum Südpol zu besuchen. Im Juli dieses Jahres legten wir den Termin fest, im November machte ich mich auf die Reise nach Chile. Ganz im Süden des Landes, in Punta Arenas, wollte er seinen Lauf auf der Straße beenden und von dort den Trip in die Antarktis fortsetzen.
Viermal musste ich das Flugzeug wechseln, flog von Berlin über New York, Houston, Santiago de Chile nach Patagonien. Obwohl ich total aufgeregt war, genoss ich die Flüge um die halbe Welt sehr. Die Wiedersehensfreude war groß. Vor lauter Aufregung vergaß Robby sogar, das obligatorische Foto auf Facebook zu posten. Es gab viel zu erzählen.
Die erste Nacht verbrachten wir in einem urigen Hostel. Dort traf ich auch Robbys Begleiter Ralf, der vier Monate lang das Begleitfahrzeug gesteuert hatte. Nun überreichte er mir feierlich den Schlüssel für »Franky«, den Dodge, der ihnen in der vergangenen Zeit als Schlafstätte und Materialtransporter diente.
In Punta Arenas hatten wir das Glück, bei Ursula Kirsig, der deutschen Honorarkonsulin, wohnen zu dürfen. Herzlich wurden wir von der Familie aufgenommen und auch vom Schäferhund ins Herz geschlossen.
Die nächsten Tage waren mit Organisatorischem ausgefüllt. Stand doch in Punta Arenas die letzte Etappe seines Laufs auf Straßen an. Gemeinsam mit Schülern der deutschen Schule im Ort erreichte Robby Clemens am 22. November sein Ziel. Ich war unglaublich stolz, in diesem Moment an seiner Seite sein zu dürfen. Mit der Kamera hielt ich diese emotionalen Augenblicke fest. Für Robby waren die letzten Meter sehr ergreifend, zwangen ihn förmlich in die Knie. Ich war froh, ihn auffangen zu können, als Freund für ihn da zu sein.
Nach Tausenden Kilometern dem Ziel entgegen konnte sich der Extremläufer nun endlich mehr Zeit für Ausflüge nehmen. Wir entschieden uns für eine Reise nach Puerto Williams auf die Isla Navarino. 50 Minuten dauerte der Flug mit einem kleinen Flugzeug dorthin. Des Laufens müde - das galt nicht nur für Robby - erkundeten wir die Insel mit dem Mountainbike oder fuhren mit dem Geländewagen über lange Schotterpisten.
Die südlichste bewohnte Insel der Welt ist ein absolutes Paradies für Angler und Wanderer. Wer will, kann hier mehrere Tage in der grünen Wildnis unterwegs sein, ohne jemanden zu treffen. Schneebedeckte Berge, Seen und Wälder erinnerten mich an Norwegen. Zufällig trafen wir bei unserem Ausflug eine Gruppe von Archäologen. Sie waren auf der Suche nach Spuren der Ureinwohner der Region und hatten Speerspitzen, Werkzeuge und eine Harpune gefunden.
Bis zum Ende der zivilisierten Welt waren wir noch einmal 2,5 Stunden unterwegs. Um Puerto Torro, den südlichsten bewohnten Ort, zu erreichen, mussten wir mit der Fähre über den Beagle-Kanal. Und das bedeutete 150 Minuten Wellengang.
Der Ort besteht aus 20 Holzhäuschen, Polizeistation, Schule und kleiner Kirche. Nur einmal im Monat, immer am letzten Sonntag, fährt das Schiff an diesen einsamen Ort. Bis die Fähre wieder ablegte, hatten wir zwei Stunden Zeit, um alles zu erkunden. Mit dieser begaben wir uns auf den Weg zurück nach Punta Arenas - 32 Stunden bei stürmischer See durch den Beagle-Kanal und die Magellanstraße. Aufregend und beeindruckend. Ein Naturschauspiel mit Walfontänen, Gletschern, Wasserfällen und vielen gestrandeten, verrosteten Schiffen mitten in der Fahrrinne. Am Horizont erstreckten sich auf argentinischer und chilenischer Seite riesige schneebedeckte Gipfel.
Angekommen, statteten wir auf Feuerland den Königspinguinen einen Besuch ab. Nach langer Fahrt auf Schotterpisten, vorbei an unendlich langen Zäunen hinter denen Emus, Schafe und Guanakos weideten, erreichten wir die Pinguinkolonie. Bis auf 40 Meter konnten wir uns den Frackträgern nähern.
Zwei Wochen Chile, Feuerland und Patagonien waren viel zu kurz. Ich komme auf jeden Fall wieder.
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