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Je älter, je linker

Thomas Jacob aus Glietz ist kein Wutbürger. Aufrechter Bürger, das trifft es.

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Thomas Jacob (ganz rechts) 
im Sommer 2018 bei einer 
Protestkundgebung vor dem Bohrplatz in Guhlen.
Thomas Jacob (ganz rechts) 
im Sommer 2018 bei einer 
Protestkundgebung vor dem Bohrplatz in Guhlen.

Wenn jemand gegen Windkraftanlagen genauso protestiert wie gegen Ölbohrtürme - ist er dann ein unverbesserlicher Wutbürger, der ein wenig spinnt? Aber dass der Strom irgendwo herkommen muss, das weiß Thomas Jacob aus Glietz (Dahme-Spreewald) natürlich auch. Er spinnt kein bisschen. Er hält Windenergie im Prinzip für eine prima Sache - wenn es eine überzeugende Speichertechnologie gäbe und wenn man die Dörfer nicht mit Windparks zustellen würde.

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Wenn Erdöl und Erdgas im dünn besiedelten Sibirien gefördert werden, dann akzeptiert er das. Aber wenn die Central European Petroleum GmbH (CEP) im Oberspreewald nach Öl und Gas bohrt und damit möglicherweise die Gesundheit der Anwohner gefährdet und dem Tourismus in die Quere kommt, stört ihn das. Wozu hier bescheidene Vorkommen erschließen, wenn die gewaltigen Ölreserven Russlands Deutschland gut mitversorgen? Will die Bundesrepublik für eine Konfrontation mit Russland gerüstet sein, für einen Krieg? '

Die Suche nach heimischem Erdöl und Erdgas ist tatsächlich ein Stück weit auch eine Spekulation auf eine Krisensituation. Versorgungssicherheit wird als Argument genannt. Für Jacob, der während des Zweiten Weltkriegs geboren wurde, ist das ein Grund mehr, sich der CEP entgegenzustellen. So kam es, dass er Sprecher der Volksinitiative wurde, die höhere Mindestabstände von Windrädern zu Wohnhäusern verlangte. So kommt es, dass er jetzt bei der Bürgerinitiative »Gegen Gasbohren im Oberspreewald« mitmischt.

Damit erschöpft sich sein Engagement allerdings nicht. Der 75-Jährige möchte, dass die Bundeswehr ihre Kurmark-Kaserne in Storkow umbenennt, hat extra die Initiative »Aufrechte Bürger« gegründet. Jacob sieht hier einen klaren Fall unerhörter Traditionspflege. Immerhin opferten die Faschisten, als sie für die Waffen-SS an einem Truppenübungsplatz »Kurmark« bauten, das Leben jüdischer Häftlinge des KZ-Außenlagers Lieberose und ermordeten bei der Räumung des Lagers 1945 mehr als 1200 Kranke und Geschwächte. Daran beteiligt war das auch als Bataillon »Kurmark« bezeichnete SS-Wachbataillon 4. Darum ärgert es Jacob, wenn so getan wird, als sei »Kurmark« nichts weiter als eine harmlose Landschaftsbezeichnung.

Jacob kämpft gegen Windmühlenflügel, doch nicht wie der verrückte Don Quijote. Es ist alles bei vollem Verstande genau überlegt. Es scheint nur so aussichtslos wie bei der literarischen Vorlage, dem Ritter von der traurigen Gestalt. Trotzdem macht Jacob immer weiter. Traurig wirkt er dabei keineswegs. Seinen Humor hat er nicht verloren. Einen Sieg kann er ja auch verbuchen. Als in seinem Heimatdorf Glietz 156 000 Hühner gemästet werden sollten, wehrte er mit einer eigens gegründeten Bürgerinitiative und mit Hilfe der Rechtsanwaltskanzlei Geulen & Klinger den ersten Versuch ab. Beim zweiten Versuch kauften Nachbarn dem Investor die Grundstücke gerade noch vor der Nase weg.

Jacob ist Regisseur. Er drehte einzelne Folgen der Krimiserien »Polizeiruf 110« und »Stubbe - von Fall zu Fall«. In seinen Fernsehproduktionen hat er sich immer eine kleine Statistenrolle gegönnt. So konnte er sich einen Jugendtraum doch noch erfüllen. Denn er wollte einst an die Schauspielschule, fiel aber als 14-Jähriger durch die Aufnahmeprüfung und lernte Elektriker. So schaffte er es immerhin als Bühnentechniker ans Theater. Eine Tournee in den Westen, bei der er als Beleuchter mitgefahren wäre, wollte er 1963 zur Republikflucht nutzen. Ihn hatte das Fernweh gepackt. Er vermisste die Reisefreiheit. Doch sein Plan flog auf. »Die Stasi hat es Gott sei Dank verhindert«, schmunzelt Jacob rückblickend.

Ausgerechnet bei den Grenztruppen leistete er bald darauf seinen Wehrdienst, aber damit er dort keine Gelegenheit zur Flucht bekam, nicht in vorderster Linie, sondern als Kulturverantwortlicher seines Regiments. Das hat ihm Spaß gemacht, und eine ausgezeichnete Beurteilung ebnete ihm den Weg an die Filmhochschule in Babelsberg. Er konnte in der DDR Regisseur werden. »In der BRD wäre ich wahrscheinlich Elektriker geblieben«, vermutet Jacob, der heute froh ist, in der DDR geblieben zu sein und dann noch die Bundesrepublik erlebt zu haben. Vom real existierenden Kapitalismus hat er inzwischen mehr als genug. »Links bin ich in meiner Jugend nicht gewesen«, sagt er, »im Alter werde ich es immer mehr.«

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