Holzauge, aber wachsam
Seehofer präsentiert jugendlichen Datendieb und neue Gesetzesverschärfungspläne
Berlin. »Sehr rasch, sehr effizient und sehr gut rund um die Uhr gehandelt.« Das Resümee von Bundesinnenminister Horst Seehofer am Dienstag zur Aufklärung der illegalen Veröffentlichung der Daten von rund 1000 Politikern, Prominenten und Journalisten klang zufrieden. So, als habe Seehofer nicht nur dem inzwischen entdeckten Täter, sondern auch seinen eigenen Kritikern ein Schnippchen geschlagen. Nachdem der CSU-Politiker sich zunächst tagelang in Schweigen gehüllt hatte, bemühte er sich nun, den Eindruck einer routinierten Amtshandlung zu erwecken. Ein 20-jähriger Schüler war schon am Sonntag als Täter identifiziert, die Wohnung seiner Eltern im hessischen Homberg (Ohm), in der er wohnt, durchsucht worden. Der Chef des Bundeskriminalamts, Holger Münch, half seinem Dienstherrn beim Abwiegeln, indem er den Datenklau als Massendelikt bezeichnete. Schuld sei der allgemein nachlässige Umgang mit Passwörtern. Der Einzeltäter habe aus persönlichen Motiven gehandelt, so Minister und Behörden, darunter das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik BSI. Der 20-Jährige soll über das inzwischen gesperrte Twitter-Konto @_0rbit im Dezember persönliche Daten in einer Art Adventskalender veröffentlicht haben. »Aus Verärgerung über öffentliche Äußerungen« der Betroffenen habe er gehandelt, begründete der junge Mann angeblich seine Tat.
In seltsamem Widerspruch zu Seehofers Beschwichtigungen stehen unverzüglich angekündigte Gesetzesverschärfungen. Ob die Planungen ähnliche Taten künftig verhindern können, muss noch offen bleiben. Ein Frühwarnsystem soll vor Datenabfluss schützen, die Bevölkerung für Gefahren im Netz sensibilisiert werden. Ein »IT-Sicherheitsgesetz 2.0« werde noch im ersten Halbjahr 2019 auf den Weg gebracht. nd/Agenturen Seite 2
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.