Den Schuss gehört

Die deutschen Biathletinnen feiern in Oberhof eine schnelle Wiederauferstehung

»Neuer Start, neues Ziel«, wandelte Denise Herrmann ein altbekanntes Sprichwort ab. Von Glück sprechen Spitzensportler ja eher ungern, das würde den Wert guter Leistungen schmälern. Zu den Weltcuptagen von Oberhof passte Herrmanns Ansage aber treffend auf die Darbietungen der deutschen Biathletinnen. Von der Krise über die Wiederauferstehung bis zum im letzten Moment verschenkten Staffelsieg war in drei Rennen von Donnerstag bis Sonntag alles dabei. Und die jeweils selbst gesteckten Ziele schienen die Ergebnisse mitzubestimmen.

Ein Heimweltcup ist nie einfach. Von deutschen Biathleten werden zwar stets gute Platzierungen erwartet, doch als ihnen in Oberhof erstmals in der Saison der komplette Fokus von bis zu 22 000 Fans galt und sie diese Leute nicht enttäuschen wollten, versagten die Läuferinnen des Deutschen Skiverbands (DSV) zunächst im Sprint am Donnerstag. Platz 34 als bestes Resultat war »Kacke«, wie es Assistenztrainer Florian Steirer so drastisch wie einfach formulierte. Der Wandel folgte in der Verfolgung am Sonnabend, als mit großen Startrückständen die ebenso großen Erwartungen von den Deutschen genommen waren. »Verlieren konnten wir nicht mehr viel. Wir wollten aber noch etwas nach vorn bewegen, und das ging nur, wenn wir Vollgas geben. Da hatte ich mal keine Zeit nachzudenken«, sagte Herrmann, der mit der schnellsten Laufzeit und für sie respektablen vier Strafrunden ein Sprung von Rang 36 auf neun gelungen war.

Teamkollegin Franziska Preuß machte sogar 39 Plätze bis auf Rang sechs gut. In der reinen Verfolgungswertung war sie sogar die Beste. Es wäre ihr erster Einzelweltcupsieg gewesen, doch der Weltverband IBU vergibt für diese Teilleistung keine Extrapunkte. Auch bei Preuß schien der abgefallene Druck die Lösung gewesen zu sein. »Ich bin viel lockerer an den Start gegangen, denn verlieren konnte ich kaum noch was«, sagte die 24-Jährige. »Von weit hinten geht man ganz anders ins Rennen.«

Vier der fünf gestarteten Deutschen machten mindestens 16 Plätze gut. Es zeigte einen Aufwärtstrend, zwei Tage nachdem viele schon von einer Krise gesprochen hatten, weil ohne die kranke Olympiasiegerin Laura Dahlmeier mal wieder nichts ging. »Eine Krise war das sicherlich noch nicht, aber ein Schuss vor den Bug«, sah auch Trainer Steirer ein. »Vielleicht kam dieser Schuss genau zur richtigen Zeit. Wir sind aufgewacht und haben mannschaftlich sehr gut darauf geantwortet.«

Das junge neue Trainerteam um Steirer hatte zuvor erstmals den Druck erhöht, auch wenn er es lieber als »Druck ablassen« bezeichnen wollte. »Vielleicht hat es die eine oder andere wachgerüttelt«, mutmaßte der 37-Jährige. Preuß meinte, man sei als Team näher zusammengerückt. »Wir haben gemeinsam nach einem Ausweg aus der Situation gesucht. Und jetzt haben wir gezeigt, dass wir viel mehr drauf haben.« Für Herrmann war der Samstag ein Geraderücken der Verhältnisse: »Alle wissen, dass das am Donnerstag nicht unsere Normalleistung war. Wo wir wirklich hingehören, haben wir jetzt gezeigt.«

Ausgerechnet Herrmann, die am Sonntag eigentlich an die gute Leistung des Vortags anknüpfen wollte, hatte in der abschließenden Staffel aber plötzlich wieder viel Zeit zum Nachdenken. Karolin Horchler, Franziska Hildebrand, die beide sogar gestürzt waren, und Preuß hatten die Schlussläuferin aus Oberwiesenthal auf Platz eins auf die verschneite Strecke geschickt. Herrmann baute den Vorsprung sogar auf mehr als zehn Sekunden aus, doch dann reichten ihr acht Patronen nicht, um im Stehendschießen alle Scheiben abzuräumen. Die Russin Jekaterina Jurlowa-Percht zog an der Deutschen vorbei, Herrmann rettete gerade noch Rang zwei vor Tschechien, die bis dahin beste deutsche Platzierung beim Heimweltcup. Arnd Peiffer hatte am Sonnabend in der Verfolgung ebenfalls Platz zwei belegt.

Bei der Staffel war alles wieder von null losgegangen. Die Deutschen hatten plötzlich von Anfang an wieder Siegchancen, und abermals konnte vor allem Herrmann in diesem Augenblick nicht ihre herausragenden Fähigkeiten abrufen. »Wir wollten als Mannschaft in der Loipe alles geben und beim Schießen so wenige Fehler wie möglich machen«, hatte Herrmann die neue Zielstellung zusammengefasst. Am Ende war sie es selbst, die doch zu Fehler gemacht hatte.

»Wir können immer noch vorn angreifen. Das zu wissen, tut gut«, fasste Franziska Preuß die etwas chaotische Woche am Ende doch noch positiv zusammen. Schon am Mittwoch geht der nächste Heimweltcup in Ruhpolding los. Dort werden mit Vanessa Hinz und Laura Dahlmeier zwei starke Läuferinnen dazustoßen. »Ich gehe davon aus, dass wir dann wieder vorn ein Wörtchen mitreden können«, sagte Trainer Florian Steirer.

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