Feministinnen in der ersten Reihe

Bei den Protesten gegen die neue Rechtsregierung in Andalusien spielen Frauen große Rolle

  • Ralf Streck, San Sebastián
  • Lesedauer: 4 Min.

Für die sozialdemokratische PSOE ist es ein schwerer Schlag: Nach 36 Jahren ununterbrochener Regierung in Andalusien müssen sie das Zepter abgeben. Die Koalition aus rechter Volkspartei (PP) und national-neoliberalen Ciudadanos (Bürger/Cs), die ihre Minderheitsregierung von der ultrarechten Partei VOX stützen lässt, treibt viele Menschen auf die Barrikaden. Doch Juan Manuel Moreno, PP-Chef in Andalusien, ficht das nicht an. Er sprach sich in seiner Rede zur Amtseinführung gegen eine Abgrenzung nach ultrarechts aus.

Schon am Dienstag wurde im ganzen Land demonstriert. Vor allem feministische Organisationen hatten dazu aufgerufen, die von Linksparteien und Gewerkschaften unterstützt wurden. VOX ist nicht nur ultranationalistisch und rassistisch, auch Frauenrechte sind ihr ein Dorn im Auge. Sie sind gegen Abtreibung und Gleichstellung und wollen katholische Privatschulen fördern, in denen Geschlechtertrennung herrscht. VOX will zudem Programme zur Förderung von Gleichstellung genauso streichen wie die, die sich gegen sexistische Gewalt richten. Wer diese Errungenschaften verteidigt, wird von einer Partei, die sich offen faschistoid zeigt, als «Feminazis» bezeichnet. VOX-Sprecher Francisco Serrano, ein vom Dienst suspendierter Richter, der Urteile gegen geltende Gesetze fällte, nannte vor dem Parlament protestierende Frauen «Horden» und verglich ihre friedlichen Proteste mit dem gewaltsamen «Straßenkampf».

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Schon am Dienstagmittag, als Moreno seine Rede hielt, versammelten sich vor dem Parlament in Sevilla Hunderte Menschen. Mehr als 100 feministische Zusammenschlüsse hatten ein Manifest unterzeichnet und zu Protesten im ganzen Land aufgerufen. In mehr als 100 Städten wurde unter dem Motto demonstriert: «Unsere Rechte sind nicht verhandelbar! Kein Schritt zurück in Fragen der Gleichberechtigung.» Vor der Presse hatten zwei Sprecherinnen in Sevilla erklärt, es gehe darum, «dem Patriarchat, Faschismus und Rassismus den Weg zu verstellen.» Zareli Gamarra und Sara González haben vor einer «Bedrohung des Lebens, der Würde und der Rechte gewarnt, welche die Frauen erkämpft haben».

Die Ultrarechten, die in Andalusien erstmals in ein Regionalparlament einzogen, konnten viele Forderungen durchsetzen. Die Versprechungen der PP und Cs, man werde mit ihnen nichts verhandeln und kein Komma am Koalitionsvertrag verändern, wurden schnell gebrochen. Zu stark war der Wille, endlich die bevölkerungsreichste Region Spaniens zu regieren. Deshalb schrecken beide nicht davor zurück, die VOX hoffähig zu machen.

Die PP, die sich vom Putsch der Generäle 1936 und der Franco-Diktatur (1939-75) nie distanziert hat, zeigt unter dem neuen Parteichef Pablo Casado keine Berührungsängste zu Rechtsextremen. Die Cs geben sich zurückhaltend. Angesichts massiver Kritik überließen die angeblichen «Liberalen» die Drecksarbeit der PP, damit beide mit VOX-Stimmen regieren können.

Das Vorgehen der Cs ist auch in ihrem Dunstkreis höchst umstritten. Manuel Valls, ihr Bürgermeisterkandidat für Barcelona für die Wahlen im Mai übte scharfe Kritik. Der ehemalige französische Premierminister, der in Barcelona geboren wurde, erklärte: «Jeglicher Pakt mit VOX wäre ein politischer Irrtum und ein moralischer Fehltritt.» Er kündigte an, er werde sich «niemals» auf eine extreme Partei stützen. Auch die französische Macron-Regierung hat offen davor gewarnt, sich mit den Ultrarechten einzulassen.

Die Online-Tageszeitung «eldiario» hat herausgearbeitet, dass VOX weit entgegengekommen wird. Schon im ursprünglichen Koalitionsvertrag hatten PP und Cs 18 Forderungen der Ultrarechten eingebaut. Da VOX aber nachgelegt hatte, wurden weitere 19 Maßnahmen akzeptiert. Ein zentraler Punkt ist, die zaghafte Aufarbeitung der Diktatur rückgängig zu machen. Auf großen Widerstand ist VOX dabei bei den beiden Rechtsparteien nicht gestoßen, die sich sogar gegen die Exhumierung Francos aus dem Mausoleum im sogenannten «Tal der Gefallenen stellen.

In Andalusien soll das Gesetz für die historische Erinnerung kassiert werden. Fünf Millionen Euro, die für die Ausgrabung der Franco-Opfer vorgesehen waren, sollen nicht fließen und die Faschismusopfer weiter in Massengräbern verscharrt bleiben. In Andalusien liegen noch etwa 50 000 Opfer in 700 Massengräbern. Gefördert werden sollen nun andalusische Traditionen, die mit dem spanischen Nationalismus verbunden werden. Darunter nicht nur der Flamenco, sondern auch die Stierkampf-Quälerei.

Sofort sollen 52 000 Einwanderer und Flüchtlinge aus Andalusien rausgeworfen werden, hat die VOX mit der PP vereinbart. Die beiden wollen auch die andalusische Autonomie abschaffen, obwohl ihre jetzt geplanten Maßnahmen nur mit Autonomierechten umsetzbar sind und diese Kompetenzen zum Teil sogar weit überschreiten. Ob das Verfassungsgericht einschreitet, wird sich zeigen.

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