2038 reicht nicht

Ricarda Lang kritisiert, dass die Vorschläge der Kohlekommission keinen gesamtgesellschaftlichen Konsens darstellen

  • Ricarda Lang
  • Lesedauer: 4 Min.

»Handelt jetzt, morgen ist es zu spät« - Mit Schildern wie diesen standen vor genau einer Woche über 10.000 junge Menschen vor dem Bundeswirtschaftsministerium und forderten die Kohlekommission zum längst überfälligen Kohleausstieg auf. Sie wollen, dass die Bundesregierung die Klimakrise endlich als das ernst nimmt, was sie ist - eine Krise und kein abstraktes Phänomen, dass man immer wieder für Sonntagsreden auspacken kann, während wir weiter so leben und vor allem wirtschaften, als hätten wir noch eine zweite Erde im Keller rumstehen. Denn diesen Planet B gibt es nicht und deshalb streikten letzte Woche unzählige Schüler*innen, Studierenden und Auszubildenden, um klar zu machen, dass auch unsere Generation ein Recht auf Zukunft hat und dass wir nicht dabei zuschauen werden, wie diese Zukunft weiter in Kohlekraftwerken verheizt wird.

Und auch am heutigen Freitag werden sie vor dem Wirtschaftsministerium stehen. Denn mittlerweile liegt ein Ergebnis der Kohlekommission vor: Der Kohleausstieg soll kommen, aber noch bis 2038 dauern. Kohleausstieg 2038 - das würde 20 weitere Jahre schmutzige Kohlekraft bedeuten. Es ist gut, dass der Kohleausstieg endlich angegangen wird. Und ich bin sicher, dass die Umweltverbände dafür hart gekämpft haben.

Aber das Ergebnis müssen wir nicht an der schwierigen Ausgangslage der Verhandlungen messen, sondern daran was notwendig wäre. Und dieses Ergebnis reicht bei Weitem nicht aus, um die Pariser Klimaziele zu erreichen, die 1,5-Grad-Grenze einzuhalten und so unsere Chance auf einen lebenswerten Planeten zu sichern. Ist das jetzt ein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken? Im Gegenteil. Gerade jetzt brauchen wir Protest auf der Straße, um klar zu machen, dass 2038 nicht reicht, weder für unsere Generation noch für den Planeten. Und um den Druck auf die Bundesregierung zu erhöhen. Denn auch wenn diese versucht hat, sich durch die Delegation dieses Themas in eine Kommission aus der politischen Verantwortung zu ziehen, wird sie sich am Ende daran messen lassen müssen, ob sie endlich eine ambitionierte Klimaschutzpolitik voranbringt oder unsere Zukunft weiter aufs Spiel setzt.

Dass der Kohleausstieg nun überhaupt angegangen wird, ist vor allem einer schlagkräftigen Klima- und Umweltbewegung zu verdanken. Nun ist es unsere gemeinsame Aufgabe dafür zu sorgen, dass er nicht bis 2038 heraus gezögert wird. Auch als Grüne Jugend gehen wir deshalb an verschiedensten Orten auf die Straße und streiten an der Seite von der »Fridays-for-Future«-Bewegung oder »Ende Gelände« für den schnellstmöglichen Kohleausstieg.

Das mag für viele radikal klingen. Aber wenn wir uns den Zustand des Planeten anschauen, gibt es wohl kaum etwas Vernünftigeres, als radikale Klimaschützer*in zu werden. Nicht, weil Radikalität ein Selbstzweck ist, sondern weil es verdammt noch mal notwendig ist, wenn wir in ein paar Jahrzehnten noch einen Planeten haben wollen, auf dem wir gut leben können.

Der Kompromiss der Bundesregierung wurde in den letzten Tagen immer wieder als »gesamtgesellschaftlicher Konsens« bezeichnet. Doch um von einem Konsens zu sprechen, fehlten viel zu viele Menschen am Verhandlungstisch. Zum Beispiel die Menschen im globalen Süden, die besonders hart von einem steigenden Meeresspiegel oder sich ausbreitenden Dürregebieten betroffen sind. Denn die Folgen der Klimakrise treffen als Erstes gerade nicht die Trumps oder Bolsonaros dieser Welt, sondern Menschen, die sowieso schon unter Armut leiden.

Genau deshalb ist auch falsch, einen vermeintlichen Widerspruch zwischen Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit aufzumachen, wie es in der Debatte rund um den Kohleausstieg gerne getan wird. Denn es ist weder sozial noch gerecht, wenn wir auf Kosten von Menschen in anderen Teilen der Welt leben und wirtschaften. Wenn wir Gerechtigkeit universell und nicht national denken, ist Klimaschutz nicht ihr Gegenpol, sondern eine notwendige Voraussetzung.

Und noch eine weitere Gruppe fehlte am Verhandlungstisch: Die junge Generation, die die Folgen der heutigen Politik ausbaden muss. Und auch deshalb solidarisiere ich mich mit allen, die heute für den Klimaschutz die Schule, Universität oder den Arbeitsplatz bestreiken. Sie machen klar: Es gibt keinen Konsens für 20 weitere Jahre schmutzige Kohlekraft. Denn wir legen unser Veto ein.

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