Schizophrenes Sozialsystem

Marie Frank hält Computer für einen Teil der Grundsicherung

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 2 Min.

Das Urteil, das heute am Sozialgericht Berlin gefallen ist, ist ein Schlag ins Gesicht für alle Familien, die auf Hartz IV angewiesen sind. Einmal mehr hat sich gezeigt, dass dieses System strukturell diskriminierend ist und nicht dazu dient, erwerbslose Menschen zu integrieren, sondern sie auszugrenzen und ganz unten zu halten. Wie sonst ließe sich erklären, dass die Jobcenter Hartz-IV-Empfängern derart elementare Dinge wie einen Computer mit Internetzugang verweigern?

In unserer digitalisierten Welt sind Computer unverzichtbar. Auch in den Schulen wird immer mehr digital gearbeitet. Das mag man gut oder schlecht finden, aber es ist die Realität. Dass nun ein Schüler, der sich keinen eigenen Computer leisten kann, in die öffentliche Bibliothek gehen soll, um Zugang zu einem PC zu bekommen, ist einfach nur zynisch. Schon für Erwachsene wäre das unzumutbar, wie kann man das von einem Kind verlangen? Sollen Kinder aus armen Familien etwa den ganzen Tag unbeaufsichtigt außer Haus sein, um ihre Hausaufgaben zu machen?

Angesichts der digitalen Anforderungen an Schulen brauchen Schüler einen privaten Computerzugang, anders ist eine erfolgreiche Teilnahme am Unterricht nicht mehr möglich. Können sie es sich nicht leisten, muss ihnen im Sinne der Chancengleichheit ein PC zur Verfügung gestellt werden. Und zwar nicht vom Land Berlin, das nicht einmal genug Geld für ausreichend Schulbücher zur Verfügung hat, sondern von den Jobcentern, die für die Grundsicherung zuständig sind.

Dass diese das verweigern, zeigt die Schizophrenie des Hartz-IV-Systems, das permanent seine eigenen Kunden reproduziert: Kinder aus diesen Familien werden ohne Computer im digitalisierten Unterricht abgehängt, haben später keine Chance auf dem Arbeitsmarkt und landen dementsprechend wieder im Transfersystem. Es ist ein sinnloses und menschenunwürdiges System, das so schnell wie möglich abgeschafft werden muss.

App »nd.Digital«

In der neuen App »nd.Digital« lesen Sie alle Ausgaben des »nd« ganz bequem online und offline. Die App ist frei von Werbung und ohne Tracking. Sie ist verfügbar für iOS (zum Download im Apple-Store), Android (zum Download im Google Play Store) und als Web-Version im Browser (zur Web-Version). Weitere Hinweise und FAQs auf dasnd.de/digital.

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!