Werbung

Strittiges Stück Stoff

Nach dem Ausschluss einer Niqab-Trägerin von der Uni Kiel diskutiert das Landesparlament nun über ein Verschleierungsverbot

  • Dieter Hanisch, Kiel
  • Lesedauer: 3 Min.

Kürzlich forderte die schleswig-holsteinische AfD eine Änderung des Hochschulgesetzes und ein Vollverschleierungsverbot für Hochschulen. Die von CDU, Grünen und FDP gebildete Jamaika-Koalition reagierte mit einem Antrag, die Thematik zunächst einer Ausschussanhörung zu unterziehen. Hintergrund der Debatte ist der Fall einer zum Islam konvertierten Kieler Studentin der Ernährungswissenschaften, die im Dezember 2018 mit Niqab eine Vorlesung der Christian-Albrechts-Universität (CAU) besuchte, was einem Dozenten missfiel. Daraufhin hat die Hochschulleitung am 29. Januar eine Richtlinie erlassen, die den Besuch von Hochschulveranstaltungen bei Verschleierung des Gesichtes untersagt. Seither hat es eine kontroverse Diskussion über die CAU-Präsidiumsentscheidung gegeben. Die CAU-Spitze wünscht sich von der Landespolitik eine gesetzgeberische Rückendeckung. Weder Schul- noch Hochschulgesetz behandeln die Problematik bisher, weil bis dato noch nie ein entsprechender Fall für Ärger gesorgt hatte.

Die drei Jamaika-Fraktionen sind sich über den Umgang mit der Sache dabei uneinig. CDU und FDP wollen der CAU-Bitte entsprechen, während die Grünen eine gesetzliche Regelung ablehnen. Sie halten es für falsch, zwar Religionsfreiheit zu garantieren, dann aber eine religiöse Ausdrucksform zu reglementieren. Der für solche Konfliktsituationen geschaffene Koalitionsausschuss hat dazu bereits getagt, allerdings keine einvernehmliche Lösung gefunden. Mit der Ausschussanhörung gewinnt Jamaika zunächst nur Zeit, bewegt sich aber nicht in der Sache.

Die betroffene 21-jährige Studentin im Erstsemester hat bereits angekündigt, sie werde sich rechtlich gegen ihren Ausschluss von Lehrveranstaltungen wehren. Wer ihr dabei zur Seite steht, lässt aufhorchen. So hat sich die Föderale Islamische Union (FIU) mit Sitz in Hannover zu Wort gemeldet und die Kielerin, als »unsere Niqab tragende Schwester« bezeichnet. Die Studentin bestätigt: Die Anwälte der FIU hätten sich des Falles angenommen. Die besagte FIU wird vom niedersächsischen Verfassungsschutz als salafistischer Zusammenschluss angesehen.

Verwaltungsjuristen räumen der jungen Frau für eine rechtliche Auseinandersetzung gute Chancen ein. Ein Eingriff in die grundgesetzlich über den Artikel 4 verbriefte Religionsfreiheit sei nicht über eine Hochschul-Richtlinie möglich, meint etwa Schleswig-Holsteins Antidiskriminierungsbeauftragte Samiah El Samadoni. Als mögliche Option unter Ausschluss einer Koalitionsentscheidung bliebe auch die Möglichkeit, dass Bildungsministerin Karin Prien (CDU) unterhalb eines Gesetzes auf dem Erlass-Weg eine Vorgabe macht. Die juristische »Wasserdichte« solch einer Variante würde wohl auch bei einer Anhörung erörtert.

Die oppositionelle SPD ist grundsätzlich gegen eine Gesichtsverhüllung an Schule und Hochschule, hält aber die Bildungseinrichtungen für kompetent genug, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Ihr bildungspolitischer Sprecher Martin Habersaat sagte, wer eine Gesetzesänderung befürworte, surfe auf einer Populismuswelle. »Ein Verbot bestimmter Kleidungsstücke ist ein Eingriff in die Selbstbestimmung der Frau«, meint Cornelia Möhring, frauenpolitische Sprecherin für die LINKE im Bundestag und Abgeordnete aus Schleswig-Holstein.

Diese Haltung wird innerhalb der Nord-Grünen nicht geschlossen geteilt. Gegner*innen von Niqab und Burka argumentieren, dass es sich dabei um ein Symbol für Frauenunterdrückung handele, erst recht, wenn von islamistischer Seite propagiert. Diese Grünen-Meinung ist nach außen aber noch nicht wahrnehmbar, steht vielmehr innerparteilich im Diskurs.

Bundesweit wird nun ganz genau auf Schleswig-Holstein geschaut, wie man dort mit der Materie umgeht. Gesetzlich gibt es fast nirgends eine Regelung. Bayern war diesbezüglich Vorreiter. Seit dem 1. August 2017 ist das Tragen von Niqab und Burka an Schulen, Hochschulen, aber auch in Kitas verboten.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

Vielen Dank!