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Der Konsument ist machtlos
Wolfgang Pomrehn über Klimafasten, Flugzeugabgase und Kohlestromexporte nach Holland
Bei den Christen ist die Fastenzeit angebrochen und auch mancher Atheist erwägt, vielleicht für ein paar Wochen von lieb gewonnenen, aber nicht immer der eigenen oder anderer Gesundheit zuträglichen Gewohnheiten zu lassen. Einige davon wie das Fliegen sind zuletzt etwas ins Gerede gekommen. Greta Thunberg, die kleine, wunderbare Heldin der inzwischen fast weltweiten Schulstreikbewegung, hat erst ihren Eltern und dann uns allen ins Gewissen geredet, das Fliegen doch lieber sein zu lassen. Es ist nämlich die für das Klima mit Abstand schädlichste Art der Fortbewegung. Nicht nur, weil der Verbrauch an Kerosin und damit auch die Treibhausgasemissionen sehr groß sind, sondern weil zusätzlich der Wasserdampf aus den Abgasen der Flugzeuge zur Bildung von Schleierwolken beiträgt, die ebenfalls erwärmend wirken. Gretas Eltern sollen daher auf die Ermahnung ihrer Tochter gehört und die Mutter ihre internationale Karriere als Opernsängerin beendet haben.
Natürlich fanden sich sofort einige Schlaumeier, die den Finger in die Wunde legten: Wenn den streikenden Kids das Klima so wichtig ist, wie kann es denn sein, dass so mancher von ihnen trotzdem fliegt? In den von Facebook und Instagram ist derlei nämlich keine private Nachricht mehr, sondern schnell über jeden zu recherchieren, der gerne Fotos von sich und seinen Reisen ins Netz stellt. Letzteres scheint in den vergangenen Jahren eine Art Volkssport geworden zu sein.
Aber was soll uns eine solche Anschuldigung sagen? Wer ins Flugzeug steigt, darf nicht gegen Kohlekraftwerke demonstrieren? Und wer seine Waschmaschine mit RWE-Strom betreibt, darf nicht gegen AKW auf die Straße gehen? Das ist offensichtlich unsinnig. Man kann fliegen und trotzdem dafür eintreten, dass das Reisen klimafreundlicher wird.
Doch diese Vorwürfe treffen offensichtlich einen Nerv. Viele Menschen, besonders Jugendliche und junge Erwachsene, fragen sich, wie jeder Einzelne sein Leben gestalten muss, um den Klimawandel zu stoppen. Das ist einerseits ehrenhaft und berechtigt, andererseits kann derlei aber schnell in die Sackgasse führen. Denn natürlich sollte sich jedes Mitglied der Gesellschaft verantwortungs- und rücksichtsvoll verhalten. Die Frage ist aber, ob wir uns ständig gegenseitig missionieren wollen. Oder ob wir nicht lieber den politisch-ökonomischen Rahmen dafür schaffen. In Bezug auf die Fliegerei hieße das, Inlandsflüge zu verbieten, die Bahn erheblich attraktiver und günstiger zu machen, Nachtzüge wieder einzuführen, Kerosin erheblich stärker zu besteuern und alle direkten und indirekten Subventionen für Flughäfen zu streichen.
Außerdem hat der individualisierende Ansatz, der die Verantwortung dem einzelnen Konsumenten aufbürden will, einen weiteren Haken: Auf den größeren Teil der Emissionen haben private Verbraucher überhaupt keinen Einfluss. Nehmen wir zum Beispiel die Stromversorgung, die mit ihren Kohlekraftwerken für knapp 40 Prozent der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich ist. 2016 wurden in Deutschland rund 650 Terawattstunden (eine TWh entspricht einer Milliarde Kilowattstunden) erzeugt, wovon netto 50 TWh ins Ausland verkauft wurden - vor allem in die Niederlande, wo der billige deutsche Kohlestrom Gaskraftwerke verdrängt, die mit weniger Emissionen arbeiten. Beachtliche 80 TWh gingen durch Netzverluste sowie den Eigenverbrauch der Kohle- und Atomkraftwerke drauf. Der Rest von 516 TWh ist der Nettoinlandsverbrauch, von dem die Industrie knapp die Hälfte abnahm. Die privaten Haushalte bezogen hingegen nur etwas mehr als ein Fünftel. Selbst wenn alle Privathaushalte auf Ökostrom umsteigen, würde die Industrie weiter große Mengen an Kohlestrom beziehen. Daran kann der Konsument nichts ändern; hier muss politisch angesetzt werden.
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