Linke Kontroverse um Repression in der DDR

Die jüngste Ausgabe der »Rote-Hilfe«-Zeitung sorgt für heftige Debatten in der Solidaritätsorganisation

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 3 Min.

Es war abzusehen, dass es heftige Reaktionen geben wird. Innerlinke Debatten über die Bewertung der DDR sind nach wie vor heikel. Erfahrungen, Träume, Kämpfe und Enttäuschungen der heutigen Linken - also ihre politische Identität - stehen in vielen Fällen noch in direktem Zusammenhang mit dem Diskussionsgegenstand. Positionen verlaufen nicht nur zwischen Strömungen und Generationen, sondern tendenziell auch zwischen Himmelsrichtungen.

Die Redaktion der »Rote Hilfe«-Zeitung hatte somit bei der Veröffentlichung ihrer jüngsten Ausgabe »Repression gegen linke Oppositionelle in der DDR« emotionale Beiträge erwartet. Diese gab es bereits zuhauf Ende 2016 im Zuge der Auseinandersetzungen um die vorausgegangene »Siegerjustiz«-Ausgabe über BRD-Repression gegen DDR-Bürger und Funktionäre. Das Ausmaß der nun einprasselnden Wortmeldungen dürfte das Kollektiv dennoch überrascht haben.

Eine erste umfassende Kritik an der neuen Ausgabe kam in Form eines Offenen Briefes von der DKP und mehreren Verbänden, die nach 1989 zur Unterstützung von DDR-Funktionären gegründet wurden. Der Schwerpunkt des Heftes wird darin als »Skandal« bezeichnet. Die Ausgabe sei ein Angriff auf »die Geschichte und Identität eines Teils der eigenen Mitgliedschaft« und »eine der Strömungen, die die ›Rote Hilfe‹ tragen«. Die Redaktion würde sich von den »Fundamenten der Organisation« distanzieren. Der DKP-Vorsitzende Patrik Köbele forderte eine »selbstkritische Erklärung« von Vorstand und Redaktion.

Auch die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke (LINKE) kritisierte die Ausgabe. Nach ihrem ersten Eindruck handele es sich dabei um eine »Anbiederung an den antikommunistischen Zeitgeist«. Angesichts aktueller Entwicklungen wie verschärften Polizeigesetzen und Nazinetzwerken in Behörden gebe »es doch wahrlich dringlichere Themen«, so die Politikerin. Jelpke betonte, dass sie die Aufgabe der »Roten Hilfe« in anderen Feldern sieht. »Kontroverse geschichtspolitische Themen in Form einseitiger Schwerpunkte abzuhandeln, schadet dem Widerstand gegen autoritäre Tendenzen in der BRD.«

Leo Schwarz bezweifelte in der Tageszeitung »Junge Welt«, ob es in der DDR überhaupt eine »linke Opposition« gegeben habe. Das »an Verrücktheiten nicht eben armen Schrifttum« liefere für ihn »vertraute Melodien des linken und nicht so linken Antikommunismus«. Das Heft zeige weiter, dass die bundesweite radikale Linke nicht in der Lage sei, »eine seriöse [...] Kritik ihrer eigenen Geschichte zu liefern«.

Eine ganz andere Bewertung der Ausgabe kommt dagegen von Teilen der ehemaligen linken DDR-Opposition. In einem Offenen Brief bezeichnen Mitglieder der Initiative »Vereinigte Linke« sowie die Redaktion der Zeitschrift »telegraph« die bisherigen Beschwerdebeiträge als »neostalinistische Kampagne«. Diese diskreditiere die linke antistalinistische DDR-Opposition und verweigere sich einer kritischen Analyse des dortigen Herrschaftssystems.

Der »Ekel« vieler deutscher Linker vor der Instrumentalisierung der DDR-Kritik durch »staatskonforme Aufarbeitungsapparate« begünstigte laut den Unterzeichnern eine »unkritische Glorifizierung der DDR«. Gerade diese würde jedoch letztlich den Antikommunismus stärken. Der Brief sieht in der aktuellen Kampagne die »unveränderte Sprache der SED und ihrer Satelliten in Westdeutschland«.

Der Ermittlungsausschuss (EA) Dresden äußerte sich ebenfalls zur Debatte. Mitglieder der Dresdner Ortsgruppe der Roten Hilfe hatten im Zuge der Auseinandersetzungen um die »Siegerjustiz«-Ausgabe aus Protest ihre Arbeit eingeschränkt und sind seitdem nur noch im EA aktiv. Das Kollektiv betonte gegenüber »nd«, dass es in der Debatte eine »unglaubliche Ost-West-Front« gebe. »Mit kolonialer Arroganz wird von den Westdeutschen versucht, erlebte Geschichte zu okkupieren«, so die Aktivisten. Das Ausblenden oder Verdrehen von Tatsachen in »kaderhafter« Manier würde aber nur der bürgerlichen Geschichtsschreibung dienen.

»Wir sollten die Stärke haben, Fehler als solche zu erkennen und uns unserer Geschichte zu stellen«, erklärte der EA Dresden. Ziel sei, »es in Zukunft besser zu machen«.

Die Ausgabe 1/2019 der »Rote-Hilfe-Zeitung« kann hier gelesen werden:

https://www.rote-hilfe.de/rote-hilfe-zeitung

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