- Politik
- Sanktionen
Zahl der Strafen für Hartz-IV-Empfänger sinkt leicht
Drei von vier Sanktionen wegen verschwitzter Termine / LINKE und Grüne fordern Abschaffung der Sanktionen
Nürnberg. Die Jobcenter der Bundesagentur für Arbeit (BA) haben im vergangenen Jahr weniger Strafen gegen Hartz-IV-Empfänger verhängt. Wie die Agentur am Mittwoch mitteilte, sprachen die Jobvermittler 904.000 Sanktionen aus - 49.000 weniger als 2017. Mit 77 Prozent entfällt ein Großteil der Sanktionen auf Meldeversäumnisse, weil die Empfänger vereinbarte Termine ohne wichtigen Grund nicht wahrgenommen hatten. In diesen Fällen kürzen die Jobcenter die Leistungen für drei Monate um zehn Prozent.
Für die Weigerung, eine Arbeit oder Maßnahme aufzunehmen, oder bei deren Abbruch wurden 96.000 Sanktionen ausgesprochen. Pflichtverletzungen gegen die Eingliederungsvereinbarung führten in 78.000 Fällen zu einer Leistungsminderung. In der Vereinbarung werden Ziele und Pflichten von Arbeitssuchenden und Vermittlern festgelegt. Beim ersten Pflichtverstoß kürzen Jobcenter die Regelleistung für drei Monate um 30 Prozent, bei mehrfacher Verletzung entfällt der Anspruch auf Grundsicherung.
Pro Monat waren durchschnittlich 3,2 Prozent der Hartz-IV-Empfänger sanktioniert. Im gesamten Jahr 2018 wurden insgesamt 441.000 Leistungsempfänger mindestens einmal bestraft. Über 90 Prozent blieben laut BA aber von Sanktionen unberührt.
Besonders hart werden junge Menschen unter 25 Jahren bestraft. So sieht das Gesetz bei Jugendlichen bereits beim ersten Regelverstoß, der über ein Meldeversäumnis hinausgeht, eine hundertprozentige Sanktion der Regelleistung vor. Kommt innerhalb eines Jahres ein weiterer Pflichtverstoß dazu, muss auch die Miete gekürzt werden. »Wir haben bereits vorgeschlagen, die schärferen Sanktionsregeln für Jugendliche abzuschaffen«, erklärte BA-Chef Detlef Scheele. »Drohende Wohnungslosigkeit hilft uns nicht weiter. Wir verlieren die jungen Menschen dann aus den Augen und können uns nicht mehr kümmern.«
Der stellvertretende Unionsfraktionschef Hermann Gröhe (CDU) sagte der »Rheinischen Post«: »Die gesunkenen Zahlen zeigen, dass die Jobcenter maßvoll mit Sanktionen umgehen«. Fordern und Fördern gehörten zusammen, Mitwirkungspflichten ohne Sanktionen machten keinen Sinn. »Wer Mitwirkungspflichten abschafft, gefährdet die Solidarität«, sagte Gröhe.
Grüne und LINKE pochten dagegen auf eine Abschaffung der Sanktionen. Der sozialpolitische Sprecher der Grünen, Sven Lehmann, erklärte: »Der leichte Rückgang darf den Blick auf den drängenden Handlungsbedarf nicht verstellen.« Es sei »nicht hinnehmbar«, dass bei 441.000 Menschen im Grundsicherungsbezug im vergangenen Jahr das Existenzminimum in Folge von Sanktionen teilweise massiv zusammengekürzt wurde. »Mit weniger als dem Minimum zu leben heißt, bei Grundbedarfen wie Nahrung oder Wohnen sparen zu müssen.«
»Jede einzelne Sanktion ist eine zu viel«, erklärte auch LINKEN-Fraktionsvize Susanne Ferschl. »Sanktionen stürzen Betroffene in existenzielle Schwierigkeiten und sorgen dafür, dass sich vor allem junge Menschen aus dem Hilfesystem zurückziehen«, warnte sie in Berlin. Zudem zwinge das Sanktionsregime Beschäftigte in prekäre, nicht existenzsichernde Arbeitsverhältnisse. »Das Ergebnis ist, dass viele Menschen arm trotz Arbeit sind«, kritisierte Ferschl. AFP/nd
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.