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Vergolden statt verkohlen
Wer falsch grillt, setzt sich und andere gesundheitlichen Gefahren aus
Es zischt und brutzelt wieder in Deutschland. Viele Menschen nutzen die langen Abende und milden Temperaturen, um im Garten oder auf dem Balkon den Grill anzuwerfen. Manche tun dies vielleicht mit gemischten Gefühlen. Denn sie befürchten, dass gegrillte Nahrungsmittel ein Gesundheitsrisiko darstellen.
Liegen sie damit richtig? Zur Beantwortung dieser Frage wäre vorab zu klären, was Grillen überhaupt ist. Zurück geht das Wort zurück auf das lateinische »craticulum«, was so viel bedeutet wie kleiner Rost. In der Tat werden beim Grillen Fleisch, Fisch und andere Lebensmittel auf einem Rost durch Wärmestrahlung trocken gegart und an der Oberfläche geröstet. Diese Form der Essenszubereitung ist eine der ältesten der Menschheit. Schon vor rund 300.000 Jahren garten unsere Vorfahren ihre Jagdbeute über dem offenen Feuer, um sie schmackhaft und leichter verdaulich zu machen. Das belegen versteinerte Fleischreste, die Archäologen in der Holzkohle der Feuerstellen fanden.
Bis heute wird auch in Deutschland vornehmlich mit Holzkohle gegrillt. Doch die an archaische Vorbilder angelehnte Methode der Fleischzubereitung hat ihre Tücken. Tropfen zum Beispiel Fett oder Fleischsaft auf die Kohle, entstehen bei deren Verbrennung sogenannte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die mit dem Rauch aufsteigen und in das Grillgut übergehen.
Einige dieser chemischen Verbindungen gelten als krebserregend. Ebenso wie die heterozyklischen aromatischen Amine (HAA), die sich bilden, wenn man Fleisch zu lange und zu heiß grillt. Die Moleküle aus beiden Stoffklassen werden in unserem Verdauungssystem so umgebaut, dass sie in die Zellen des Darms eindringen und dort das Erbgut schädigen können. Der am besten auf seine karzinogene Wirkung untersuchte polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoff ist Benzpyren.
Gepökeltes ist problematisch
Laut deutscher Fleischverordnung darf in einem Kilogramm Fleisch davon nicht mehr als ein Mikrogramm enthalten sein. Beim Grillen mit Holzkohle entsteht in der äußeren Schicht des Grillguts die zehnfache Menge an Benzpyren, beim Rösten über Holzfeuer sogar die 200-fache. Es ist daher ratsam, das zu grillende Fleisch in eine Alufolie einzuwickeln, damit kein Fett in die Glut tropfen kann.
Als gesundheitlich bedenklich stufen Ernährungswissenschaftler vor allem das Grillen von gepökeltem Fleisch ein. Denn Fleischprodukte wie Schinken, Speck, Kassler oder Wiener Würstchen werden mit Nitritpökelsalz konserviert, woraus beim Erhitzen sogenannte Nitrosamine entstehen, die Magen- und Speiseröhrenkrebs auslösen können.
Fürs Grillen gut geeignet ist dagegen mageres Fleisch, zum Beispiel fettarmes Geflügel. Bei abgepackten Fleischprodukten lohnt überdies ein Blick auf die Verpackung, um festzustellen, ob es sich um gepökelte Ware handelt. Tauchen dort die Bezeichnungen E249 und E250 auf, sind Nitritpökelsalze als Zusatzstoffe enthalten.
Werden Lebensmittel wie beim Grillen auf über 120 Grad Celsius erhitzt, kommt es zu einer chemischen Reaktion, die der französische Mediziner Louis Camille Maillard erstmals 1913 beschrieb. Die Maillard-Reaktion verleiht erhitzten Speisen nicht nur ihr typisches Aroma und eine bräunliche Färbung. Namentlich in stärkehaltigen Lebensmitteln wie Kartoffeln oder Getreideprodukten entsteht bei der Bräunung auch eine chemische Verbindung, die als gesundheitsschädigend gilt: Acrylamid.
Wie schädlich Acrylamid ist
Aus Tierversuchen geht hervor, dass sich in den Körper gelangtes Acrylamid über sämtliche Organe verteilt und in der Leber zu Glycidamid umgewandelt wird. »Die erbgutschädigende Wirkung von Glycidamid konnte in bakteriellen Systemen und in Zellkulturen eindeutig nachgewiesen werden«, sagt Bernd Schäfer vom Bundesinstitut für Risikobewertung. »Glycidamid bindet dabei an die Erbsubstanz. Toxikologen sprechen hier von DNA-Addukten. Dies führt zu Veränderungen am Erbgut und kann schließlich auch Krebs auslösen.«
Bisher ist jedoch unklar, wie sich Acrylamid auf den menschlichen Körper auswirkt. »Aus den publizierten epidemiologischen Studien lässt sich ein kausaler Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Acrylamid und einer Entstehung von Krebs beim Menschen nicht zweifelsfrei erkennen«, so Schäfer. »Während in einigen Studien ein erhöhtes Krebsrisiko beobachtet wurde, war dies in anderen nicht der Fall.« Allerdings sei in nahezu allen Studien die über die Nahrung aufgenommene Menge des Stoffes relativ niedrig gewesen.
Wissenschaftler haben außerdem die möglichen Auswirkungen von Acrylamid auf das Nervensystem, die pränatale Entwicklung sowie die männlichen Fortpflanzungsorgane untersucht. Hierbei konnten, ausgehend von der aktuellen Aufnahme von Lebensmitteln, keine gesundheitlichen Gefährdungen festgestellt werden.
50 Kilo verkohltes Hühnerfleisch oder eine Zigarette
Ein Grenzwert, bis zu dem Acrylamid für Verbraucher unbedenklich ist, lässt sich derzeit nicht angeben. Da aber wegen der unsicheren Datenlage ein Zusammenhang zwischen Acrylamid und Krebs beim Menschen nicht ausgeschlossen werden kann, erklärte die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit die Acrylamid-Belastung der Nahrung zum Problem der öffentlichen Gesundheit und regte an, dessen Anteil in Lebensmitteln zu senken.
Auch die Millionen Grillfans hierzulande können hierzu einen Beitrag leisten - indem sie es unterlassen, Fleisch oder Fisch mit stärkehaltigen Marinaden auf den Rost zu legen. Die Grundregel beim Grillen lautet: »Vergolden statt verkohlen«. Je dunkler ein gegrilltes Lebensmittel wird, desto mehr Acrylamid enthält es.
Wenn trotzdem etwas anbrennt, besteht indes kein Grund zur Panik. »Man müsste schon umgerechnet 50 Kilogramm verkohltes Hühnerfleisch essen, um so viele krebserregende Stoffe aufzunehmen wie mit einer einzigen Zigarette«, sagt der Ernährungswissenschaftler Christian Putscher, der davor warnt, Menschen den Spaß am Grillen ganz zu verleiden. »Grillen ist grundsätzlich die gesündeste Art, Essen zuzubereiten. Gegrilltes ist fettarm, da das Fett ausgebraten wird. Und es ist äußerst schmackhaft und schützt unsere Magenschleimhaut.« Die als gesundheitsgefährdend eingestuften Stoffe entstehen zudem nicht durch die Art der Zubereitung, sondern durch das Erhitzen. Rohkost enthält daher gar kein Acrylamid.
Um beim Grillen die Bildung von Schadstoffen zu minimieren, wird empfohlen, Fleisch in der Mikrowelle vorzugaren, so dass es anschließend nicht zu lange auf dem heißen Rost liegen muss. Überdies gibt es Belege, dass Grillgewürze wie Thymian, Oregano, Rosmarin und Salbei die Aufnahme krebserregender Kohlenwasserstoffe großenteils verhindern. Der Grund: Die in den Gewürzen enthaltenen sekundären Pflanzenstoffe (Flavonoide) binden sich fest an die Kohlenwasserstoffe, die dadurch unverändert aus dem Körper wieder ausgeschieden werden. Wer die genannten Gewürze nicht vorrätig hat, kann das Grillgut auch mit Bier bestreichen. Die Wirkung ist ähnlich, und Bier steht bei Grillpartys meist ausreichend zur Verfügung.
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