»Es war immer Winter. Weil Krimi so düster ist«

Der letzte »Tatort« mit Sabine Postel und Oliver Mommsen - ein Gespräch

  • Jan Freitag
  • Lesedauer: 5 Min.

Frau Postel, Herr Mommsen, - wow - welch ein bleihaltiger Abgang aus Ihrem letzten Bremer »Tatort«!

Oliver Mommsen: Geil, oder?

Sabine Postel: Ich habe von Anfang an gesagt, er muss fett sein. Wie fett, habe ich dann unserer Kreativabteilung überlassen.

Mommsen: Der Regisseur Florian Baxmeyer mag es halt groß, er kann fett, jetzt lassen wir’s noch mal ordentlich krachen.

Postel: Und wir hatten auch ein bisschen mehr Geld, weil es ein Feiertagstatort ist. Sonst mussten wir meist mit geringerem Etat als andere arbeiten. So darf der Abgang im Publikum das Gefühl hinterlassen: Schade, die sind jetzt endgültig weg!

Ist das auch ein bewusster Kontrapunkt zur generellen Bildsprache des »Tatort« Bremen, die ja oft ein wenig geruhsamer war?

Mommsen: Das galt nur fürs Team, nicht für die Fälle. Wir sind selten laut geworden.

Postel: Stedefreund und Lürsen haben halt keine Mätzchen gemacht. Auch weil sie schon so lange beisammen sind. Neuere Teams müssen sich ja durch Besonderheiten profilieren.

Mommsen: Es war stets klar, dass wir charakterlich nicht mit ganz großem Pinsel malen. Bei Stedefreund stand anfangs drüber: Cowboy mit Bausparvertrag und Werderwimpel. Das sollte den Nonkonformismus der Alt-Achtundsechzigerin Lürsen konterkarieren.

Postel: Die als zweite Tatort-Kommissarin nach Ulrike Folkerts anfangs noch Mann und Kind haben musste.

Weil eine Frau vor 20 Jahren im Männerbusiness bereits exzentrisch genug war?

Postel: Genau. Ulrike Folkerts musste tougher sein als alle Kollegen, um sich etablieren zu können, die hat da das Feld schon bereitet. Als Oli dazu kam, konnten wir uns dann in aller Ruhe als Team entwickeln.

Mommsen: Und zwar so ruhig, dass man uns nachgesehen hat, wie unausgegoren das Team anfangs war. Heutzutage wären wir damit nach drei Fällen weg gewesen. Wenn ich mir unseren ersten »Tatort« ansehe, glaub’ ich mir kein Wort! Aber für die Zeit war es in Ordnung.

Postel: Die Erzählweise war noch anders, es gab weniger Konkurrenz, man durfte in Rollen reinwachsen. Wie genau, durften wir auf der Abschiedsparty im Zusammenschnitt unserer großartigen Cutterin sehen. Wir haben uns da manchmal fassungslos angesehen, wie wir da seltsam kostümiert durch Winterlandschaften gezogen sind.

Mommsen: Immer Winter. Weil Krimi so düster ist.

Postel: Da ich ein Frostköttel bin, habe ich so bärige Mäntel getragen. Mein Sohn, der damals noch ganz klein war, meinte mal, ich sehe darin aus wie eine Rumkugel. Das hat genauso wenig gepasst wie bei dir der akkurate Seitenscheitel.

Mommsen: Viel zu sehr auf Pfennigfuchser gebürstet. Wir haben jahrelang gerätselt, wie wir diesen Typen kernig kriegen. Weil der Babyspeck nicht aus meinem Gesicht verschwand, hab’ ich irgendwann Dreitagebart getragen und wurde nach einem Ausflug nach Afghanistan Stück für Stück konturierter. Wir durften uns von Fall zu Fall mehr trauen. Der Bremer Spirit ist ja: Die gehen dahin, wo es wehtut. Jedes Jahr einen für’n Kopp und einen für’n Bauch.

Ist es Ihnen auch privat ein Anliegen, übers Entertainment hinaus Botschaften zu vermitteln? Postel: Ich komme aus einer späten Achtundsechziger-Phase und wollte, dass auch meine Figur so ist, an Gerechtigkeit glaubt, soziales Bewusstsein hat.

Mommsen: Ich will unterhalten, nicht erziehen. Sonst besteht die Gefahr des Telekollegs.

Postel: Aber das Tolle am »Tatort« ist ja, dass er mit gesellschaftspolitischen Themen nicht erzieht, sondern auf sie aufmerksam macht und trotzdem unterhält.

Mommsen: Aber als Nebeneffekt guten Entertainments, nicht umgekehrt. Frag mich mal, was mir mehr Spaß gemacht hat: Der Vampir-Fall »Blut« oder ein Pflege-»Tatort« vorweg? Postel: Die haben dann halt einfach immer gesagt, das eine ist Olis Tatort, das andere Sabines. Perfekte Arbeitsteilung.

Ist es Ihnen wichtig, dass Ihre Charaktere persönliche Sichtweisen zumindest nicht auf den Kopf stellen?

Postel: Kommt drauf an. Die Übereinstimmung liegt so bei fifty-fifty. Sicher gibt es Grenzen, aber ich bin ja auch Schauspielerin geworden, um fremde Charaktere zu spielen. Mommsen: Stedefreund ist viel ernster, viel reduzierter, viel gerader als ich.

Mehr wie Sie gern wären?

Mommsen: Ach, ich habe ja Stedefreund und mich. Und bei Sabine kommen die schönsten Seiten von Postel und Lürsen zusammen.

Aber wenn Sie beide auf zu positive Art mit Ihrer Figur verwachsen sind - warum trennen Sie sich dann jetzt davon?

Mommsen: Nach 18 Jahren Mord und Totschlag hab ich einfach ein großes Bedürfnis danach, die Plastikwaffe in den Sack zu packen und Ausschau nach anderen Abenteuern zu halten.

Postel: Und das spüren die Zuschauer sofort. Ich hab’ die Entscheidung ohne Not getroffen. Mit zwei »Tatorten« und 13 Folgen »Kanzlei« war aber kein Spielraum mehr für anderes. Ich hatte ja nicht mal mehr Urlaub, wie ein Hamster im Rad.

Dennoch geben Sie ein Stück Sicherheit auf?

Postel: Gottseidank bricht mir mit der Entscheidung nicht der Boden weg.

Mommsen: Bei mir könnte das schon passieren. Sieht aber nicht so aus. Auch weil es meine Frau nach Jahren klassischer Rollenverteilung zurück ins Berufsleben geschafft hat. Ich rate jedem Paar: Arbeitet beide, bewahrt eure Unabhängigkeit! Die Kinder sind groß, da kannst du auch finanziell wieder mutiger werden und so einen Schritt wagen.

Postel: Allerdings nur zusammen, das war uns beiden klar. Wir sind wirklich ein Dreamteam.

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