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Nicht hinter Erreichtes zurückfallen
Außenminister Maas will neue UN-Resolution gegen sexuelle Gewalt in Kriegsgebieten
Der »Islamische Staat« machte Jesidinnen zu Sexsklavinnen, aktuell leiden Rohingya in Myanmar stark unter sexualisierter Gewalt und auch UN-Blauhelmen werden immer wieder Gewalttaten vorgeworfen - etwa im Südsudan. Kurzum: Wo Soldaten im Einsatz sind, gab und gibt es meist auch Gewalt gegen Frauen.
Dagegen muss etwas getan werden, finden unter anderen Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und die US-amerikanische Schauspielerin Angelina Jolie. In einem Gastbeitrag für die »Washington Post« am Montag fordern die beiden besseren Schutz für Menschen in Konflikten und ein Ende der Straflosigkeit von Vergewaltigern. Auch Jungen und Männer können davon betroffen sein, betonen sie.
Dazu brachte Minister Maas einen Resolutionsentwurf im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (UN) ein. Dieser soll dafür sorgen, dass mehr Gewalttäter verurteilt werden, auch zur Abschreckung anderer, und dass Betroffene bei der Aufarbeitung in den Fokus rücken. Über den Entwurf debattierte der Sicherheitsrat in der jährlichen Sondersitzung zu diesem Thema am Dienstag. Außenminister Maas leitete diese, weil Deutschland von 2019 bis 2020 den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat innehat. Unter den prominenten Gästen waren auch die Friedensnobelpreisträger Nadia Murad und Deniz Mukwege.
Die junge Jesidin Murad wies in ihrer Rede darauf hin: »Die jesidischen Mädchen und Frauen haben die Angst und das Stigma durchbrochen und der Welt alles erzählt, was sie erlebt haben. Trotzdem wurde bisher noch keine einzige Person für die Verbrechen gegen uns verurteilt.« Mukwege, der Frauenarzt aus dem Kongo, der unzählige weibliche Kriegsopfer behandelt hat, forderte: Zum besseren Schutz von Frauen müsse »die Zivilgesellschaft stärker einbezogen werden, sowohl in Frühwarnsysteme als auch beim Sammeln von Beweismaterial«. UN-Generalsekretär António Guterres betonte, dass es um die Situation vor, während und auch nach Konflikten gehe. »Wenn Frauen mit am Tisch der Friedensverhandlungen sitzen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, dass Täter für diese Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden.«
Dr. Ines Kappert, Leiterin des Gunda-Werner-Instituts (GWI), beobachtet den Prozess aus Deutschland und sagte gegenüber »nd«: »Das Engagement der Bundesregierung ist richtig und wichtig.« Das GWI setzt sich seit Jahren dafür ein, dass frauenpolitische Beschlüsse der UN auf nationaler Ebene umgesetzt werden. Der erste war die Resolution 1325 aus dem Jahr 2000, die dazu aufruft, Frauen gleichberechtigt in Friedensverhandlungen einzubeziehen. Hintergrund waren die Verbrechen im zerfallenden Jugoslawien sowie in Ruanda in den 1990er Jahren. Im Jahr 2008 folgte dann Resolution 1820, die den Stopp jeglicher sexueller Gewalt als Methode der Kriegsführung verlangt.
Während die Große Koalition hierzulande etwa Informationen über Schwangerschaftsabbrüche nach wie vor kriminalisiert, stellt sie sich mit der UN-Resolution mal wieder auf die Seite der Frauen - anders als die USA, Russland und China. Laut einem Bericht des »Guardian« drohen die USA damit, ein Veto gegen Maas' Initiative einzulegen. Obwohl Präsident Donald Trump sprachpolitische Fragen meist eher belächelt, dienen sie ihm hier als Vorwand für antifeministische Politik: Die USA störe das Wort »Gender« in der Resolution, heißt es in dem Artikel, der als Quellen Diplomaten der UN und der EU nennt. Ein weiterer Stein des Anstoßes für Washington sei, dass Betroffene sexueller Gewalt laut Resolutionstext Hilfe in Kliniken suchen und sich dort über Verhütung und Familienplanung informieren können sollen. Das umfasst auch Schwangerschaftsabbrüche. Dagegen wettern sowohl in den USA als auch in Deutschland christliche Fundamentalisten.
Doch auch Russland und China hatten sich im Vorfeld quer gestellt. Sie lehnen die vorgesehene Monitoring-Stelle ab, die die Einhaltung der Resolution überwachen soll; dieser Punkt sei daraufhin aus dem Entwurf verschwunden, heißt es. Expertinnen haben deshalb wenig Hoffnung auf Verbesserungen. Sogar »mit Sorge« betrachtet Maas’ Initiative das GWI. Es schreibt in einer Stellungnahme von März: »Angesichts der erstarkten antidemokratischen und entschieden frauenfeindlichen Positionen im UN-Sicherheitsrat sehen wir die Gefahr, dass am Ende ein schwacher Resolutionstext verabschiedet wird.« Kappert ergänzte, dass die Bundesregierung für ihr Ziel »ausreichend Ressourcen« in die Hand nehmen müsse und bei derartigen Verhandlungspartnern »rote Linien« für den Inhalt der Resolution festlegen, um nicht hinter Erreichtes zurückzufallen.
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