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- »Undercover«
Authentische Tristesse
Die Mafia-Serie »Undercover« zeigt ab heute auf ZDFneo, warum belgische Krimis besser sind als ihre Konkurrenz
Nein, als »Paradies für alle jene, die gerne die Natur genießen«, ist Belgien eher nicht so bekannt. Eher als Ort brodelnder Stammeskonflikte, islamistischer Terrorzellen und blockierter Parteienpolitik. Wenn die Region Limbourg aus dem Off als Erholungsort beworben wird, macht daraus erst der Nachsatz den Kern einer realistischen Fernsehserie. Schließlich entsteht dort nicht nur massig Obst, sondern noch mehr Ecstasy. Die Hälfte des globalen Bedarfs. Marktwert zwei Milliarden Euro. Sehr zur Freude von Ferry Bouman.
Der Drogenboss betreibt ab sofort auf ZDFneo sein fiktives Geschäft mit dem Partystoff, was dadurch realistische Wucht erhält, dass der Zehnteiler von Eshref Reybrouck und Frank Devos auf einer wahren Basis beruht. Skrupellose Gangster wie Ferry (Frank Lammert) gibt es in und um Limbourg demnach ebenso wie seine Komplizen. Was indes nur auf dem Drehbuchpapier existiert, sind die Protagonisten der Gegenseite: Anna Drijver und Tom Waes als Kommissare Kim und Bob, die »Undercover«, so heißt das deutsch-belgische Co-Produkt, auf jenen Campingplatz ziehen, der ihrem Ermittlungsziel als bodenständiger Rückzugsort dient.
Von der Nachbarparzelle aus pirscht sich das genretypisch grundverschiedene Polizeiduo als falsches Liebespaar Anouk und Peter an den Paten heran, was über den Umweg seiner anlehnungsbedürftigen Frau Danielle (Elise Schaap) gut funktioniert. Anfangs. Schon zu Beginn der zweiten Episode weist ihre Tarnung aber Risse auf, die sie zügig angreifbar machen. Zwischendurch. Doch der Writer’s Room um Showrunner Nico Moolenaar hat ganze Arbeit geleistet, um dieses famose Mafia-Epos mithilfe von Verrätern und Ratten, Zufall und Intrige vielschichtig eskalieren zu lassen.
Und dieses Niveau zwischen »The Sopranos« und »Breaking Bad« verdanken wir nicht nur dem authentisch besetzten Ensemble; ähnlich bedeutsam ist der Dreh- und Handlungsort. Während die fiktional überdrehte Kapitalverbrechensquote skandinavischer Krimis dem sprichwörtlichen Bullerbü-Idyll zwei Jahrzehnte lang unglaubwürdig, aber sehenswert zuwider lief, kauft man dem westlichen Nachbarn die menschliche Tristesse in jeder Szene ab. Unter Flandern und Wallonen sind Mord und Totschlag eben nicht nur Kontrastmittel; sie scheinen dem Land der 200 000 Tankstellen und Autobahnlichter seltsam inhärent zu sein.
Schon deshalb müssen Serien wie »Zimmer 108« und »Tabula Rasa«, »Code 37« oder zuletzt »The Break« keine zivilisatorischen Gegenpole improvisieren, um Neugier zu wecken; abseits von Brügge (»sehen und sterben«) oder dem bewohnten Architekturmuseum Brüssel blinzelt die soziokulturelle Zerrüttung aus fast jedem Gewerbegebiet vor den Toren profaner Siedlungen, deren Bewohner nach Feierabend glaubhaft auf diesen sensationell öden Campingplatz fliehen, als sei er wirklich lebenswert.
Trotz der (sogar noch relativ akzeptablen) Übersetzung der Hamburger Synchron, trotz zwei (wie üblich viel zu sexy) Hauptdarstellern, trotz eines Grenzübertritts nach Deutschland, für dessen Dialogregie man besser mal jemand mit Schwäbischkenntnissen engagiert hätte, überzeugt »Undercover« aber auch durch die entlarvende Kommunikation männlicher Alphatiere beider Seiten des Gesetzes. Ihr dumpfer Geltungsdrang wirft ein scharfsinniges Schlaglicht auf aktuelle Genderdebatten und macht die Serie - untermalt von Steve Willaerts grandiosem Soundtrack - mit zum Besten, was im Mafia-Milieu bislang menschlich, statt bloß kriminalistisch verhandelt wurde.
Ab 8.5., 21.45 Uhr, ZDFneo
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