Kein Geld für die Geburtstagsfeier

Kinderarmut ist ein Dauerthema für Sonntagsreden, doch die Realität ändert sich nur langsam

  • Alina Leimbach
  • Lesedauer: 5 Min.

Am Samstag werden Sie auf der Demonstration »Es reicht für uns alle« für den Verband alleinerziehender Mütter und Väter auf das Thema Kinderarmut aufmerksam machen. Sie sind selbst alleinerziehend. Wie schwierig ist das?

Ich habe zwei Söhne, 15 und 21 Jahre alt und ich bin berufstätig. Auch habe ich das Glück, dass der Vater meiner Kinder Unterhalt zahlt. Aber ich kenne auch andere Geschichten. Besonders schwierig ist es, wenn Alleinerziehende Hartz-IV-Leistungen beziehen. Kindergeburtstage sind dann eigentlich finanziell nicht möglich. Eine defekte Waschmaschine oder ein Kühlschrank sind Katastrophen. Das geht an die Substanz, da sehe ich keine Chancengleichheit für Kinder, obwohl diese von der Politik gerne propagiert wird.

Zur Person
Daniela Jaspers ist seit 2006 alleinerziehend. Für den Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VAMV) vertritt sie seit 2017 als Vize-Bundesvorständin deren Rechte und Anliegen. Ihr Schwerpunkt ist unter anderem das Arbeitslosengeld II. Auf der Demonstration »Es reicht für uns alle« am Samstag in Berlin wird sie für den VAMV die oft prekäre Lage der Alleinerziehenden und ihrer Kinder thematisieren. Mit ihr sprach Alina Leimbach.

Alleinerziehende und ihre Kinder haben in Deutschland mit das größte Armutsrisiko. Warum ist das so?

Der Großteil der Alleinerziehenden kommt aus Paarbeziehungen, hier wird immer noch eine sehr klassische Rollenverteilung gelebt: Er geht voll arbeiten und sie arbeitet in einer Teilzeitbeschäftigung oder hat einen Minijob. Begünstigt wird das durch das Ehegattensplitting und die kostenlose Mitversicherung in der Krankenkasse des Ehepartners. Nach der Trennung ist es beruflich schwierig, wieder da anzuknüpfen, wo man vor den Kindern beruflich gestanden hat. Und ich muss zusätzlich wieder mehr Steuer zahlen - ähnlich viel wie ein Single. Dazu kommt die oft noch fehlende bedarfsgerechte Kinderbetreuung.

Aber es gibt doch Unterhaltszahlungen vom Ex-Partner? Helfen die nicht?

Leider ist die Zahlungsmoral der Barunterhaltspflichtigen, meist Väter, schlecht. Es gibt Väter, die können nicht zahlen, da sie die finanziellen Ressourcen nicht haben, es gibt aber auch die, die nicht zahlen wollen. Nur 25 Prozent der Alleinerziehenden bekommt den vollen Unterhalt. Weitere 25 Prozent erhalten zu wenig. Und die Hälfte aller Alleinerziehenden bekommt gar nichts. Das heißt: Von einem Gehalt muss ich mich, ein oder mehrere Kinder, Miete, Kinderbetreuung, Lebensmittel und Kleidung finanzieren.

In solchen Fällen soll dann der Unterhaltsvorschuss des Staats aushelfen.

Ja, der Unterhaltsvorschuss ist wichtige eine Hilfe. Aber er ist immer niedriger als der Unterhalt. Wer Hartz-IV bekommt, dem wird der komplette Unterhaltsvorschuss mit dem Regelsatz verrechnet. Beim Kind kommt davon nichts zusätzlich an.

Wie wichtig ist Kinderbetreuung?

Für Alleinerziehende ist eine bedarfsgerechte, qualitativ gute Kinderbetreuung auch in Randzeiten existenziell. Arbeit in Kombination mit bedarfsgerechter Kinderbetreuung ist der Weg, aus der Armutsfalle zu gelangen. Das Problem ist jedoch, dass Kitaplätze immer noch nicht zu den Bedarfen passen, trotz Rechtsanspruch ab dem erstem. Geburtstag. Viele Frauen arbeiten beispielsweise im sozialen Bereich oder im Einzelhandel. Die Arbeitszeiten liegen hier meist nicht zwischen 7 und 16.30 Uhr, wo die meisten Kitas geöffnet haben. Zudem muss ich auch immer noch den Anfahrts- und Abholweg mitbedenken.

Kitaausbau ist doch ein politisches Topthema. Hat sich da nichts bewegt?

Doch, aber es reicht trotzdem noch nicht. Es gibt nun zwar einen gesetzlichen Anspruch auf einen Kita-Platz. Alleine in Berlin fehlen aber 3000 Kita-Plätze. Ich kenne Alleinerziehende, die eine halbe Stunde oder eine Stunde fahren müssen, um ihre Kinder zur Kita zu bringen, weil sie in der Nähe nichts gefunden haben. Auch bei der Randzeitbetreuung tut sich zu wenig. Wir als VAMV haben mit Modellprojekten gezeigt, dass das Schließen von Betreuungslücken Alleinerziehende aus der Armut holen kann. Aus Modellen muss nun ein Angebot in der Fläche werden.

Wie haben Sie das gelöst?

Auch ich hatte das Problem mit meinem jüngsten Sohn: Meine Arbeit begann gegen 11 Uhr und endete um halb fünf. Das kollidierte mit der Schließzeit der Kita. Das Problem konnte ich über eine Tagesmutter lösen, die flexibel auf meine Situation eingehen konnte. Aber die kostet natürlich auch mehr.

Die Große Koalition hat sich das Thema arme Kinder auf die Fahnen geschrieben. Maik Beermann von der Unionsfraktion erklärte sogar: »Wir wollen Kinderarmut in Deutschland ausrotten.« Wie fällt ihre bisherige Bilanz aus?

Gemischt. Das Bildungs- und Teilhabepaket ist vereinfacht und erweitert worden. Das ist gut! Das Schulmittagessen wird ganz kostenfrei, Nachhilfe kann dann schon gewährt werden, wenn nicht erst die Versetzung gefährdet ist - und beim Vereinsbeitrag können nun bis zu 15 Euro gezahlt werden. Eine weitere Verbesserung ist der Kinderzuschlag, endlich haben auch Alleinerziehende die Chance, in den Genuss des Kinderzuschlags zu gelangen. Unterhalt oder Unterhaltsvorschuss werden nur noch zu 45 Prozent angerechnet. Ein Nachteil ist auch hier die Bürokratie: Jedes halbe Jahr muss der Antragsteller eine Vielzahl von Papieren einreichen. Das braucht Zeit. Zeit, die ich als Alleinerziehende nicht habe.

Und dazu kommt, dass schätzungsweise nur die Hälfte aller Berechtigten das Ganze anfordert.

Genau, das ist ein großes Problem. Eigentlich sind diese Leistungen ja Teil des sozio-ökonomischen Existenzminimums des Kindes. Nur traut man den Eltern nicht zu, dass sie das Geld wirklich für ihre Kinder verwenden. Es wird daher zusätzlich zum Regelbedarf gewährt. Dabei zeigen Studien, wie zuletzt von der Bertelsmann Stiftung, dass das Geld eben nicht in neue Flachbildschirmfernseher oder das neuste Handy investiert wird, sondern wirklich für die Kinder verwendet wird. Eher verzichten Eltern auf eigene Bedürfnisse als bei den Kindern zu sparen. Wir fordern als VAMV eine Kindergrundsicherung von 628 Euro monatlich, die automatisch und ohne Bedürfnisprüfung ausgezahlt wird. Das Geld muss bei den Kindern ankommen und darf nicht länger von der rechten in die linke Tasche wandern.

Ihre Kinder sind nun nicht mehr ganz so klein, aber was raten Sie anderen Alleinerziehenden mit Kindern auf der Demo?

Die Kinder gehören zu uns, sind Teil von uns. Es ist eine Familiendemo, Kinder können und sollen ruhig mitkommen. Frische Luft und ein wenig Bewegung vom Neptunbrunnen zum Brandenburger Tor für und mit den Kindern, gegen Kinderarmut!

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