Ölmulti sah schon 1982 den Klimawandel kommen

ExxonMobil prognostizierte den aktuellen Kohlendioxidrekord und die aktuelle Erderwärmung bereits vor über 30 Jahren ziemlich genau

  • Moritz Wichmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Menschheit stößt soviel CO2 aus wie noch nie und der Ölkonzern ExxonMobil prognostizierte Art und Ausmaß des aktuellen Klimawandels bereits 1982 – und tut jetzt so, als ob er gegen den Klimawandel kämpft. Am Wochenende kam die neueste schlechte Nachricht in Sachen Klimawandel. Zum ersten Mal seit Beginn der Messungen 1958 stellten die Klimaforscher auf der Mauna Loa Messstation auf Hawaii einen CO2-Wert von über 415 parts per million fest – und das nicht nur in einzelnen Spitzenwerten, sondern kontinuierlich. Laut den Daten von Klimaforschern ist das der höchste Wert von Kohlendioxid in unserer Atmosphäre seit 800.000 Jahren.

Es könnte nur ein neuer Spitzenwert sein, doch er ist bedeutsam, weil schon vor 37 Jahren die Wissenschaftler mindestens einer Ölfirma genau diese Entwicklung prognostizierten. Dass der Klimawandel so schnell kommt, hätte niemand wissen können, wird oft in der Debatte beschwichtigend eingewandt gegenüber vermeintlichem Alarmismus. Doch die Konzernforschung der US-Ölfirma ExxonMobil erwartete schon 1982 genau den Wert von 415 parts per million zur CO2-Belastung der Atmosphäre und einen Temperaturanstieg von 0,9 Grad Celsius. Öffentlich machte das neuntgrößte Unternehmen der Welt die eigene Forschung aber nicht, stattdessen säte man – wie andere Ölfirmen auch – öffentlich in einer Multimillionendollarkampagne Zweifel am Klimaschutz.

Als der CO2-Rekordwert dieser Woche in der ältesten Messstation der Welt auf Hawaii erreicht wurde, grub Bloomberg Energie-Reporter Tom Randall die erschreckend genaue Grafik zum Kohlendioxid- und Temperaturanstieg aus. Die wissenschaftliche Forschung sei schon damals »sehr gut« gewesen, aber hat sich seitdem »dramatisch verbessert«, meint Randall. Das Memo sei damals bei ExxonMobil intern weit verbreitet worden, auch bei den führenden Managern des Ölkonzerns. Statt das Geschäftsmodell zu ändern, versteckte man die eigene Forschung aber lieber tief in internen Dokumentenschränken.

Bekannt wurden die Konzernforschung beziehungsweise die Memos dazu schon vor drei Jahren im Zuge einer Pulitzer-Preis ausgezeichneten Recherche durch Reporter von Inside Climate Change News. Die Exxon-Forscher nahmen in ihrem »high case« Szenario das an, was auch passiert ist: Dass die Welt mehr fossile Brennstoffe verbraucht und das neue fossile Brennstoffreserven angezapft werden. Das könne die »Erdoberfläche erwärmen und Wandel im Klima sowohl in der Atmosphäre als auch in den Ozeanen auslösen, den Regenfall und die Bodenfeuchte verändern und über Jahrhunderte hinweg vielleicht die Gletscher schmelzen lassen«, zitiert Randall aus den Memos.

Auch wenn die CO2-Level-Schätzungen ziemlich genau waren, nur beim Zeitpunkt von »potenziell schweren Klimaproblemen« lag man scheinbar leicht daneben. Die erwartetete Exxon erst für »Ende des 21. Jahrhunderts«. Eine andere Grafik aus den Memos macht klar, dass der Klimawandel für eine gewisse Zeit oberflächlich nicht von normalen Klimafluktuationen zu unterscheiden sei, ab 2020 jedoch könne es »keinen Zweifel« mehr geben und wir würden »die alte Normalität« hinter uns lassen, schreibt Randall.

Der Klimaforscher Andrew Dessler von der Texas A&M University erklärt, die Berechnungen von Exxon seien »extrem akkurat« gewesen. Er stellte auf dem Kurznachrichtendienst Twitter in einer Grafik die Vorhersagekurve der ExxonMobil-Forscher neben die tatsächlich gemessenen Durchschnittstemperaturen und Kohlendioxidwerte. Unter dem Hashtag #Exxonnew (Exxon wusste davon) äußern Kritiker des Ölkonzerns nun ihre Empörung. Mittlerweile gibt es mehrere Gerichtsverfahren gegen den Konzern durch Anleger, Städte und auch den Bundesstaat New York. Der Vorwurf: ExxonMobil hätte seine Anleger durch Nichtinformation über Klimawandelrisiken getäuscht.

Die PR-Abteilung von ExxonMobil hat bereits reagiert. In einem Video werden die Vorwürfe als »fabrizierte Anschuldigungen« bezeichnet, sieht eine gegen den Konzern gerichtete Medienkampagne und wirft den Konzernkritikern vor, nicht an »konstruktivem Dialog« interessiert zu sein. Verbunden wird das mit einer Feel-Good-Message: Man wolle die »Risiken des Klimawandels reduzieren«, habe bereits Emissionen gesenkt und forsche zu Speichertechnologien. Und weil noch drastischere Maßnahmen auf dem Tisch liegen, unterstützt ExxonMobil jetzt auch eine CO2-Steuer. Ein öffentlich wenig beachtetes Detail dabei: Im Austausch hätte man gerne Straffreiheit für künftige Gerichtsverfahren.

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