Das gute Kapital

Stephan Kaufmann über den allseits geliebten Mittelstand

Alle mögen die Mitte. Politiker schwärmen von der Mittelschicht, und der Stolz der deutschen Wirtschaft ist der Mittelstand, die Solidität verheißende Kombination aus »Mitte« und »Stand«. Der Mittelstand genießt einen uneingeschränkt guten Ruf. Das liegt zum einen an seiner Größe: Er befindet sich zwischen prekären Kleinexistenzen und jenen Unternehmen, die schon allein auf Grund ihrer Größe verdächtig erscheinen. Mittelständler gelten als erfolgreich und gleichzeitig als angenehm machtlos.

Der gute Ruf des Mittelstands speist sich auch aus seiner Führungsstruktur: Hier arbeitet der Eigentümer noch selbst, er lenkt das Unternehmen, übernimmt das Risiko. Sein Wohlstand gilt insofern als wirklich verdient und nicht bloß angeeignet. Er ist Unternehmer und nicht Investor, obwohl jeder Unternehmer Investor ist. Das Gegenmodell zum Mittelstand ist die Aktiengesellschaft, in der eine anonyme Gruppe von Geldanlegern als Eigentümer fungiert, die mit dem Unternehmen nichts weiter zu tun hat außer ihrem Anspruch auf Dividende und Aktienkurssteigerungen.

Der Mittelständler personifiziert die Idee des guten Kapitalisten. Anders als bei Großkonzernen und ihren Managern wird ihm unterstellt, er ziele nicht nur auf maximalen Profit und maximale Rendite. Getrübt wird dieses Bild auch nicht von der Tatsache, dass mittelgroße Unternehmen in Deutschland im Durchschnitt doppelt so hohe Kapitalrenditen aus ihren Betrieben und Beschäftigten herausholen wie Großkonzerne.

Der Mittelständler gilt als verbunden mit seinen Kunden, mit seinen Beschäftigten, seinen Produkten und mit seiner Region: ihm wird eine Heimat und ein Gewissen unterstellt. Dass es Unternehmen darum geht, Arbeitsplätze zu schaffen und die Kunden zu erfreuen, dass es ihnen um Kooperation und Gemeinsamkeit geht anstatt um Konkurrenz und Egoismus - all diese Sprüche, die man Konzernmanagern nicht abnimmt, scheinen beim Mittelständler irgendwie glaubhaft. Mit diesem Glauben fallen die Fans des Mittelstands allerdings noch hinter die liberale Theorie zurück, nach der jeder Unternehmer rein egoistisch handelt und erst durch den Markt dazu gezwungen werden muss, Nutzen für andere zu stiften.

Der Mittelstand spielt zwar nach exakt den gleichen Regeln wie seine kleinen und großen Konkurrenten, seine Bilanz hat die gleichen Posten. Dennoch wird in ihn die Hoffnung gesetzt, dass es im Kapitalismus nicht so kapitalistisch zugehen muss. Diese Hoffnung zeigt beides: Die Vorbehalte gegenüber dem Kapitalismus wie den unbedingten Willen, an ihm festzuhalten.

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